Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
265
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Ueber das vierte Buch.

schehen, moralisch seien nur Handlungen ohne jede Rücksicht auf das Ich. Es ist ersichtlich, dass dieser nicht unbeliebte Rigorismus auf einen Wortstreit führt. Handlungen ohne Rücksicht auf das Ich sind rein unmöglich, nie kann unser Wille durch etwas anderes bewegt werden als durch unsere Lust, man kann, po­pulär ausgedrückt, nur das thun, was einem Freude macht. Helfe ich einem anderen, so bilde ich mir zwar ein, dass sein Wohl meinen Willen bewege, weil es das Ziel meines Handelns ist, aber ich könnte ihm nicht helfen, wenn mir die Beseitigung seiner Noth keine Freude machte. Der Werth eines Menschen be­ruht darauf, was ihm Freude macht. Will man die Freude an fremdem Wohle und weiterhin an der prin­cipiellen Selbstverleugnung noch Egoismus nennen,

so verliert das Wort seinen Sinn, denn dieser ist, dass nur mein Wohl mir Freude macht. Im Grunde ist es

auch ganz gleichgiltig, ob ich bei dem sogenannten selbstlosen Handeln es weiss, dass ich Freude davon habe, oder nicht, denn wenn ich mir einbildete, die Rücksicht auf das eigene Wohl könnte in Wirklichkeit Ursache der Selbstverleugnung werden, so verfiele ich wieder in einen Irrthum, der dem des naiv Guten so­zusagen entgegengesetzt ist. Wäre es so, so brauchte Einer nur es gründlich einzusehen, dass die Tugend oder die Selbstverleugnung beglückt, um tugendhaft oder gar heilig zu werden. Er wird es aber nicht, und es ist zweifellos, dass noch nie die Auseinander­setzungen über das Glück der Tugend jemand tugend­haft gemacht haben. Die Hauptsache bleibt immer