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Deutsche Rundschau.
zur Darstellung bringen können; spielt doch das Berliner Theater beinahe in jeder Woche eine Novität. Böte man so dem Publicum in geschicktem Wechsel mannigfaltige Unterhaltung, würden auch Mißerfolge, die nicht ausbleiben können, leichter Verschmerzt werden. Statt dessen aber hat das Schauspielhaus bis heute zwei Neuigkeiten, Heinrich Bulthaupt's Drama „Eine neue Welt" und ein durch- gesallenes Lustspiel von Heinrich Münd en, „Der Marquis von Robillard", aufgesührt, von denen das erste auch schon einige Jahre alt ist, und das zweite nur aus die Buhne des Cadettenhauses in Lichterfelde, an einem Festtage der Anstalt, gehört. Zweifellos haben die Liebhabereien des Directors dies bedenkliche Resultat mit herbeigesührt. Die Neigung, selber als Schauspieler sich noch thätig zu erweisen, beeinträchtigt empfindlich die Regiethätigkeit. Wiederholt ist Herr Devrient in seinem Luther-Festspiel als Luther ausgetreten; auf der Bühne des Schauspielhauses erschien er in Lessing's Drama „Nathan der Weise" in der Rolle des Nathan. Eine kleinere Bühne, Theater wie die zu Weimar und Oldenburg, würden die rhetorische Kraft und den gebildeten Vortrag Herrn Devrient's ganz anders zu schätzen wissen als das Publicum der Hauptstadt. Denn nicht einen denkenden Schauspieler mehr braucht das Schauspielhaus, sondern einen raschen, entschlossenen und wagmuthigen Director. Die antiquarischen Liebhabereien Devrient's finden hier weder bei den Künstlern noch bei den Zuschauern Anklang. Mit dem Stolz einer kühnen That führte er am Dienstag den 30. September den ersten Entwurf Goethe's, „Geschichte Gottsriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand", aus, um beinahe ganz damit zu verunglücken. Daß Goethe selbst schon nach einem Jahre diesen Entwurf zu dem Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" um- arbeitete, brauchte nicht besonders betont zu werden; es ist ja eine bekannte Sache, daß die Dramaturgen pietätlos sind. Schlimmer war es schon, daß Devrient nicht bei der ältesten Handschrift blieb, sondern milderte und schwächte, was ihm zu derb darin erschien, auf die Ausgabe von 1773 einging und schließlich sogar die von Goeth, 1804 unternommene Bearbeitung seines Schauspiels für die Bühne nicht Verschmähtee um einige Goldkörner daraus zu entnehmen. Eine solche Mosaikarbeit kann der Natur der Sache nach weder den Kenner noch den naiven Zuschauer befriedigen. Der Letztere ist an den Götz gewöhnt, wie er ihn auf der Bühne zu sehen Pflegt; eine Aenderung des Textes und der Scenenreihe verwirrt ihn nur. Um so stärker, je unruhiger in ihrem unaufhörlichen Scenenwechsel die neue älteste Bearbeitung ist. Die Zusammenhangslosigkeit der Dichtung ist in dem ersten Entwürfe so groß, daß uns zuletzt gar nicht Götz als der Held des Drama's erscheint, sondern an seine Stelle Adelheid, Weisungen und Franz treten. Die Auftritte, welche den Aufstand der Bauern schildern, die Zigeunerscenen, das Vehmgericht übertreffen an leidenschaftlicher Bewegung und romantischem Reiz weit die Vorgänge, die in Götzens Burg und in seinem Gefängniß sich abspielen. Verhängnißvoller aber noch als die Wahl des Textes wurde die theatralische Aufführung der „Geschichte Gottsriedens". Herr Devrient war aus den Gedanken gekommen, die Bühne der Tiefe nach in zwei gleiche Hälften zu scheiden, von denen die eine Götzens Burg, Jaxthausen, die andere Bamberg bedeuten sollte, um dadurch den Zwischenvorhang während der Veränderung der Dekoration zu vermeiden. Er hatte ihn aber nur statt vor der Bühne, aus der Bühne angebracht Wenn in Jaxthausen gespielt wurde, verhüllte ein schwarzer Vorhang den Schauplatz Bamberg, und umgekehrt. So gab es ein beständiges Aus- und Zuziehen der beiden Guckkästen. Daß in diesen engen Räumen den Schauspielern die Möglichkeit jeder freien und großen Bewegung fehlte, daß jedes Bild zu einer Miniatur zusammenschrumpfte, liegt auch für den Leser klar. Für den Zuschauer im Theatersaal war der Eindruck der unerquicklichste. Die „Geschichte Gottsriedens" verschwand denn auch nach wenigen Vorstellungen vom Repertoire.
Kein besseres Geschick ward dem Lustspiel in vier Aufzügen von Heinrich Münden, „Der Marquis von Robillard", zu Theil, das am Dienstag den 25. November zur ersten Ausführung kam. Ein Jntriguenstück aus historischem