Issue 
(1891) 66
Page
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Literarische Rundschau.

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dert den Autor, der diese wunderbare Frauengestalterobert" hat, ja man glaubt selbst Antheil an der Eroberung zu besitzen, man trägt etwas säst selbstgefällig Per­sönliches hinein, was gegen alle Mängel der Technik blind macht. Den großen Zauber, den die Manier hat, verkenne ich nicht. Ganz so naiv ist übrigens die Art bei Hopsen nicht mehr, wie es bei Keller der Fall war: er weiß, was er will, er erzählt mit Vorliebe in der ersten Person, um den Eindruck zu verstärken. Diese Kunstsorm hat noch etwas vom alten Märchen; der Erzähler windet sich, obwohl man weiß, daß er erfindet, unwillkürlich selbst den Nimbus der Heldenthaten ums Haupt. Hier sind es Märchen für ein sehr raffinirtes Publicum, Märchen für eine realistisch geschulte Zeit. Aber der Zauber ist der gleiche, und es ist noch ein ungeheurer Schritt von dieser Kunstsorm bis zu dem, was die moderne Realistenschule der Russen und Franzosen als Ziel der Kunst bezeichnet, bis zu dem Kunstwerk, das rein aus den Dingen, den Vorgängen wirkt, hinter dem der Erfinder absolut verschwindet. Man müßte eine lange Betrachtung über diese Punkte schreiben, wollte man Allem gerecht werden. Ich deute hier nur an. Hopfen ist ein Dichter, der im Ganzen längst gewürdigt ist. Wo er sich nicht gehen läßt, nicht (wie in dem RomanRobert Leichtfuß") seine leicht­füßige Muse in ein zu schweres Joch spannen will, bewährt er seinen Ruf, das gilt auch von diesen neuen Novellen. Die erste,Uebergangen", ist durchaus Probe aus das oben Gesagte des Princips. Ein Meisterwerk behäbiger Erzählerkunst, dieser An­fang! Sehr bald haftet dann das ganze Interesse an den Frauengestalten. Vom Ersten an, was Hopsen gedichtet, war sein Element das seltsame Gemisch des Prickeln­den und doch wieder Gutmüthigen, fast Philisterhaften. Die Weltanschauung geht immer von oben aus. DerMajor" erzählt guten Genossen, Standesgenossen natür­lich, beim Rheinwein. Er hat viel erlebt, aber er selbst ist immer gut weggekommen, das gibt den Grundton. Von armen Leuten weiß er nicht viel, höchstens einmal von Mädchen aus dem Volke, und diese Mädchen sind dann immer entzückend schön, kleine Madonnen mit Goldhaar, auf das unter tiefblauem Himmel Blüthenschnee der Obst­bäume regnet, wenn sie, selbst sauber gewaschen, am Bache mit der Wäsche beschäftigt sind .... die tiefste Lebensweisheit des Majors ist die Toleranz und im klebrigen das stille Bekenntniß im Sinne Darwins:Es ist nun so, die Einen fressen, und die Andern werden gefressen." Aus technische Feinheiten darf man die erste Novelle nicht zu genau prüfen. Wer in diesen Punkten sich streng gewöhnt hat, den muß der Leicht­sinn schließlich doch erschrecken, mit welchem Dinge, wie die Ich-Erzählung, von unserm Novellisten gehandhabt werden. Zu Anfang erzählt ganz einseitig der Major, und was wir von Andern wissen sollen, das erfahren wir durch direkte Rede. Aber der eigentliche Held ist ein zweiter Ossicier. Sein Innenleben, seine Abenteuer sind wich­tig, und jählings sehen wir auf Seite 61, wie der allsehende Dichter in den Vor­tragenden fährt und eine ganze Episode aus sich heraus berichtet, die dieser unmöglich so wissen kann. Und ähnlich schwankt das im Weiteren hin und her; bald sucht der Major die seltsamsten, die unwahrscheinlichsten Gründe hervor, um zu beweisen, daß er gewisse Scenen, die er nicht erlebt hat, kennen kann, bald werden uns zu Spannungszwecken wirklich ganze Stücke alsdem Erzähler unbekannt" verschwiegen, bald endlich fällt die Maskerade vollkommen fort und der Poet sieht durch verschlossene Thüren frei hindurch. Schlimm ist das nicht, aber es brauchte nicht so zu sein. Die Novelle vompolnischen Wachtmeister" will ich nur kurz berühren. Was die Kellerstche Novellenform aus einer dieser bei den Realisten stz beliebten Alkoholgeschichten machen kann, ist geschehen. Ob Jemand dabei warm wird, bezweifle ich. Ich will den Alkohol-Problemen hier in keiner Weise das Wort reden. Aber wenn solche Sachen überhaupt künstlerisch gestaltet werden sollen, so scheint mir allerdings dieser leichte Fabulierton der ungeeignetste zu sein. Der Major wird in vornehmer Tafel­runde aufgefordert, noch ein zweites Gläschen Likör nach Tisch Zu trinken. Er lehnt ab, aus Princip, und er erzählt als Grund seine Geschichte vom polnischen Wacht­meister, der elendiglich am Trunk zu Grunde geht. Alle fühlen ein sanftes Gruseln und die Likörflasche kreist weiter. Das ist lustig, wenn man will, aber ich möchte