Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

Als Begleiter wählte sich der Reisende unter den Vielen, welche sich angeboten hatten, den k. k. österreichischen Turnlehrer Ludwig Purtscheller, einen höchst ersahrenen Alpensteiger; und er sollte diese Wahl nicht bereuen. Die Ausrüstung war die denkbar beste. Leider aber weigerte sich der norddeutsche Lloyddampser, Waffen und Munition zu befördern, und dann passirte das Unglück, daß durch das Versehen eines Agenten in Aden die Zelte und ein Theil der wissenschaftlichen Apparate nach Ceylon gingen. In Aden wurden sieben Somali, darunter ein früherer Diener von Meyer, in Dienst genommen, und mit diesen Leuten machte Meyer die besten Erfahrungen.

Die Reise ging nach Sansibar. Ueber Sansibar ist zwar schon viel geschrieben worden, aber dennoch erregen hier die Schilderungen dieser Stadt, besonders da sie gerade die Zeit während des Aufstandes behandeln, großes Interesse. Ebenso lernen wir in lebendiger Schilderung die schwarzen Begleiter des Reisenden kennen. Von Sansibar begab sich vr. Meyer nach Bagamoio und nach Dar-es-Salam. Der be­kannte Inder Sewa Hadji hatte auch hier die Ausrüstung der Expedition vertrags­mäßig übernommen. Von Mombasfa aus führte der Weg ins Innere, und wir glauben uns selbst nach Afrika versetzt, wenn wir die Schlußzeilen des ersten Capitels lesen:Das war wieder Afrika, das war wieder der rothe Lateritboden, die dürren Dornenbüfche, das dürftige grau-grüne Gras, die reine trockene Luft" u. s. w. Wie denn überhaupt die Stimmungsbilder meist ausgezeichnet entworfen sind. Endlich erreicht die Expedition den Kilimandscharo, und meisterhaft ist die Wiedergabe des ersten Eindruckes, den der Kilimandscharo auf den Reisenden macht. Der Weg führt durch die paradiesische Tawetalandschaft.

Der Verfasser nimmt, wie alle Diejenigen, welche das Innere Afrikas kennen lernten, die Gelegenheit wahr, sich über Missionen zu äußern, und kommt zu dem Resultate, daß das Ergebniß ihrer Wirksamkeit nicht entfernt dem Aufwande an Geld und Arbeit entspreche, was auch im Allgemeinen meine Ansicht ist.

In Dschagga besucht vr. Meyer den durch seineGesandtschaft" in Deutschland bekannt gewordenen Häuptling Mandara. In Moschi wird die ehemalige Station der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft von dem amerikanischen Botaniker vr. Abbot bewohnt. Dort trifft Meyer einen jener amerikanischen und englischen Sportsmen an, welche cs sich leider angelegen sein lassen, das Wild Ostafrikas systematisch auszurotten. Im Gebiete der Dschagga findet sich eine ausgezeichnete künstliche auf Stunden ausgedehnte Bewässerung der Felder. Bei Marnale, dem Häuptling von Marangu, werden die Reisenden gastfrei ausgenommen, und der Unterstützung dieses Häuptlings ist es zum großen Theil zu danken, daß die Expedition so gut und schnell verlief. < Ein inter­essanter Versuch, die Bevölkerung der Dschaggagebiete statistisch zu schätzen, ergibt eine Bevölkerungsstärke von 46 000 Einwohnern.

Am 28. September begann der Aufstieg von Marangu aus. Mit größter Umsicht und unter Verwerthung alter Erfahrungen wird am oberen Rande des den Berg innerhalb gewisser Grenzen einschließenden Urwaldstreifens ein sogenanntes Mittel­lager errichtet, dessen Vorräthe von Marangu aus immer wieder neu ergänzt werden. Es dient als Stützpunkt für die Unternehmungen in den luftigen Regionen. Hier erst beginnt die Darstellung des höchst interessanten Aufstieges, und aus der Fülle des Gebotenen erkennt man, daß der Forscher die Besteigung des bis dahin jungfräulichen Bergesals eine ernste wissenschaftliche Aufgabe und nicht als Sport" aufgefaßt hat und daß er für Alles ein offenes Auge besitzt.

Zunächst durchwandern wir im Geiste mit den beiden Reisenden den eigenthümlich nassen Urwald. An der oberen Grenze desselben wird das schon erwähnte Mittel­lager errichtet, und von da aus steigen die beiden Europäer mit nur sechs der besten Leute, welche Muth genug besaßen, sich der Führung der Weißen anzuvertrauen, in die ihnen unheimlichen Regionen. Hoch oben, 4330 Meter über dem Meere, wird in einem weiten Lavafelde ein Lager aufgeschlagen, von welchem aus die Erforschung der beiden Gipfel des Kilimandscharo, des Kibo und Mawensi, unternommen werden. Der erste Auf­stieg führte zu dem Kibogipfel des Berges. Der Anblick des mächtigen zweitausend Meter im Durchmesser haltenden Kraters wirkte auf die Nahenden geradezu erschütternd.