Issue 
(1891) 66
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Literarische Rundschau.

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Wirkliche Gletscher umparizern das Bergeshaupt. Bei der zweiten Besteigung wurde die höchste Spitze, sechstausend Meter über dem Meere, genommen und von l)r. Meyer Kaiser-Wilhelmspitze" getaust. Diese Widmung nahm später Se. Majestät der Kaiser huldvollst an, ebenso bei einer Herrn vr. Hans Meyer bewilligten Audienz, die in Gestalt eines Frlsstückes überreichte äußerste Spitze des Berges. Der Kilimandscharo ist bis jetzt der höchste bekannte Berg in Afrika und aus deutschem Gebiete. Die niederste Temperatur in jenen Höhen maß vr. Meyer mit19 o 0.

Streitigkeiten, welche im Lager von Marangu ausgebrochen waren, riesen vr. Meyer nach unten. Nach Schlichtung derselben kehrte er wieder zu seinem oben gebliebenen Gefährten Purtscheller zurück, und es wurde sodann die Erforschung der Mawensispitze vorgenommen, die kaum noch ihre Kraternatur erkennen läßt, so sehr haben die ewigen Naturkräste an ihrer Zerstörung gearbeitet. Nach Erforschung dieses Gipfels, welcher keine Gletscher ausweist, untersuchte man nochmals den Kibo und stieg auf den Kraterboden hinunter. Im Ganzen weilten die Forscher sechzehn Tage oben, wobei vier Kibo- und drei Mawensibesteigungen vorgenommen worden waren. Den 21. October fand der Abstieg nach Marangu statt.

In lehrreicher Schilderung erhalten wir weiter Ausschluß über die atmosphärischen Vorgänge. Angenehme Abwechslung bringt uns dann der Bericht über die Erlebnisse aus dem Abstecher nach dem noch nie besuchten Ugueno, wo sich gediegenes Eisen findet. Auch hier legen die Bewohner des fruchtbaren Landes wie in Dschagga künstliche Be­wässerung an. Meyer rechnet Ugueno zu unseren werthvollsten Erwerbungen. Als die schlimmste Strecke der ganzen Reise bezeichnet er schließlich die Dauhfahrt von Mobassa nach Sansibar.

Wie es sich bei einem solchen Werke von selbst versteht, ist ein Theil des Buches der Geographie und Topographie des Kilimandscharo gewidmet. Der Geisterberg, der Berg des Geistes Ndscharo, ist ein Toppelvulcan und aus dem großen ostasrikanischen Graben", einer jener als riesige Erdspalte erkannten Längssenkungen, allmälig in eruptiver Weise emporgewachsen. Als merkwürdig verdient hervorgehoben zu werden, daß ein kleiner Eruption?kegel im Krater des Kibo trotz seiner kalten eisbedeckten Um­gebung und trotz der großen Höhe, in welcher er sich erhebt, ganz eisfrei ist, was nur dadurch erklärt werden kann, daß dieser Kegel noch von früheren Eruptionen her eine höhere Temperatur bewahrt hat. An den Abhängen des Berges unterscheiden sich ziemlich scharf sechs Vegetationsregionen und alle klimatischen Regionen der Erde sind vertreten. Aber nur eine derselben ist als Besiedlungszone begünstigt, die Dschaggalandschaft, welche ohne die ewigen Streitigkeiten der Eingeborenen eineinziger Garten" sein könnte.

Mit großer Objectivität ist der bemerkenswerte Ueberblick über die physische Eigenart von ganz Deutsch - Ostasrika abgesaßt und besonders richtig die Abwägung von Ostafrika gegen Britisch-Jndien.

Als Anhang von rein wissenschaftlichem Werthe finden wir noch die Ergebnisse der Sammlungen mitgetheilt. Die beigegebenen Karten sind ausgezeichnet, wie sich dies nicht anders erwarten ließ, wenn ein so außerordentlich umfangreiches Material, das mit so großer Sorgfalt und Liebe znsammengebracht worden, von einer bewährten Kraft wie die des vr. Hassenstein verarbeitet ist. Die Bilder sind im Gegensatz zu denen anderer Reisewerke brillant und charakteristisch, so daß man mit Recht von einem Prachtwerk sprechen kann.

Um noch einmal in kurzen Worten unser Urtheil über das Buch zusammenzu- sassen, so muß gesagt werden, daß es nach allen Richtungen hin den Anforderungen entspricht, die man an ein Reisewerk stellen darf. Es ist fesselnd und in gutem Stile geschrieben und gibt in objectiver Auffassung das Gesehene und Beobachtete, welches in großer Fülle geboten wird, wieder. Es zeugt von den umfassenden Kenntnissen des Reisenden, der Sorgfalt, mit welcher dies reiche Material gesammelt wurde. Das Wesentlichste, was über den Kilimandscharo zu wissen interesfirt, ist mit vr. Hans Meyer's gewichtigem Bande bekannt gegeben, und nur der Detailsorschung ist noch zu thun übrig geblieben. Paul Reichard.