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Deutsche Rundschau.
Zu jener Zeit langten bei der Redaction dieses Blattes Gessi's Berichte sowie ein Bries desselben an, in welchem dieser tapfere und begeisterte Vorkämpfer der Civilisation um einen geeigneten jungen Mann, womöglich Officier, bat, welcher das Utzllethal erforschen solle. Obgleich Casati damals schon einundvierzig Jahre alt war, entschloß er sich dennoch, die Stelle anzunehmen und schiffte sich am 24. December 1879 in Genua ein, um über Suakin nach Chartum zu gehen.
Ende Januar 1880 verließ Casati Suakin mit nur vier Lastkameelen und zwei Kameeltreibern, da Gessi zugesagt hatte, für die gesammte Ausrüstung in Chartum zu sorgen. Der Weg führte über Berber, von wo aus Casati vorzog, den bequemeren Wasserweg zu wählen, statt sich dem unangenehmen Kameel- transport weiterhin den Nil entlang bis Chartum auszusetzen. Die Stadt liegt bekanntlich an dem Zusammenfluß des blauen und Weißen Nil. Es ist sonderbar, daß Casati auf den Gedanken kam, der Bahr-el-Azrak, der blaue (oder dunkle) Fluß, könne seinen Namen von dem an seinen Ufern angebauten Indigo erhalten haben. Die einzig richtige Erklärung für diese Benennung hätte der Reisende Wohl an Ort und Stelle selbst finden können. Der Bahr-el-Azrak führt, als ein aus dem abessinischen Hochgebirgeherabkom mender Strom, dunkles, ziemlich klares Wasser im Gegensatz zu dem Schlamm führenden Bahr-el-Abiad, dem Weißen Nil. Ich erwähne diese Thatsache nur, weil sie mir, in Verbindung mit anderen Stellen des Buches, zeigt, daß Casati kein exacter Beobachter ist.
In Reisebeschreibungen geht es mit Chartum ebenso wie mit Sansibar: Jeder glaubt die Pflicht zu haben, diesen interessanten Ort zu schildern, trotzdem dies schon unzählige Male geschehen ist. Wir können es daher unterlassen, auf diesen Theil des Werkes einzugehen. In Chartum angelangt, sah sich Casati sogleich jenem bekannten, passiven Widerstande gegenüber, der Jedem im Orient hindernd entgegentritt. Nur mit Mühe erlangte er von dem damaligen Gouverneur Raus Pascha den Erlaß, dem zufolge zwei Dampfer nach den Provinzen des Bahr - el - Gazal beordert wurden. Anfang Juli 1880 setzte Casati seine Reise von dort aus weiter fort und machte, während der Dampfer der Insel Aba nahe kam, eine sehr bemerkenswerthe Beobachtung, welche ein Helles Streiflicht auf die Vorgänge im Süden wirst. Die gesammte Schiffsmannschaft vom Capitän bis zum letzten Schiffsjungen erhob sich, nach der Insel gewandt, zum Gebet. Aus Casati's verwunderte Frage ward ihm berichtet, daß man einen berühmten Heiligen, welcher auf der Insel Hause, begrüße. Dies war, Wohl gemerkt, im Juli 1880, also genau ein Jahr, ehe der Mahdi, denn dieser war der verehrte Heilige, seine ersten bekannten Briefe in die mohammedanische Welt entsandte. Selbst der Gouverneur Rauf Pascha erwies ihm, was bisher noch nicht bekannt war, Hochachtung. Danach erklärt sich auch die Halbheit des Vorgehens dieses Gouverneurs gegen den Mahdi und des Letzteren schnell steigenden Einfluß.
In der Mesrah-el-Rek, jenem berüchtigten Snmpfgebiet, betrat Casati das Land der Dinka. Die Schilderung dieses Negerstammes ist sehr interessant. Obwohl uns Schweinfurth und Emin schon über denselben berichteten, erfahren wir