Aus Karl Friedrich Reinhard'» Leben.
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Auch die Herren vom Rath waren weniger zurückhaltend als in Hamburg, und Reinhard suchte sie in ihrer Frankreich geneigten Stimmung zu bestärken.
Anfangs Mai riefen ihn indeß Geschäfte nach Altona zurück. Er hatte hier eine Unterredung mit Hardenberg über die von Preußen beabsichtigten Maßregeln zum Schutz der Demarkationslinie und über die geheimen Pläne, die damals Hannover zum Gegenstand hatten. Das Directorium spielte den Versucher und hat in den nächsten Jahren seine Lockungen immer wiederholt. Seine Vorschläge gingen dahin, Hannover an Preußen zu geben oder auch mit diesem zu theilen. Hardenberg lehnte aber solche Pläne ab. Der König, sagte er, werde niemals seine Zustimmung dazu ertheilen. Die preußische Politik verharrte unbeirrt in ihrem Bestreben, die norddeutsche Neutralität, einschließlich Hannovers, möglichst sicherzustellen. Zum Schutz dieser Neutralität war Preußen schon seit Februar bemüht, eine engere Verbindung der betheiligten Staaten zu Stande zu bringen. Bei den meisten fand es wenig Geneigtheit, doch setzte es endlich durch, daß der niedersächsische Kreistag zu Hildesheim zusammentrat, um die Mittel für die Ausstellung einer gemeinsamen Beobachtungsarmee aufzubringen, welche die Grenzen gegen jede Verletzung sicherstellen sollte. Reinhard erhielt zwar im Juni eine Weisung des Inhalts, daß die Republik ein Beobachtungsheer in solcher Nähe ihrer Eroberungen und ihrer Verbündeten nicht billigen könne. Doch enthielt er sich einer amtlichen Einwirkung auf den Hildesheimer Convent, der seit dem 22. Juni versammelt war, wie er auch die Bestellung eines amtlichen französischen Vertreters daselbst Widerrieth. Er begnügte sich damit, seinen Secretär Kerner im Juli nach Hildesheim zu schicken und durch ihn Erkundigungen über die dortigen Beschlüsse, über die Stärke, die Stellung und den Zweck der aufzustellenden Truppen einzuziehen. Kerner erstattete über seine Sendung, die sich bis nach Minden, dem Hauptquartier der Beobachtungsarmee, erstreckte, seinem Gesandten Bericht in einer ausführlichen Denkschrift und kam darin zu Rathschlägen, die auf ein entschiedeneres Eingreifen Frankreichs in die norddeutschen Dinge zielten und nicht geeignet waren, das friedliche Einvernehmen mit Preußen zu fördern. Reinhard legte sie bei Seite. Bei allem Mißtrauen, mit dem Preußen und Frankreich ihre Schritte verfolgten, hatten doch beide Staaten ein starkes Interesse an der Aufrechterhaltung des seit dem Basler Frieden bestehenden Einvernehmens, und auch von Seite Frankreichs ließ man für jetzt Pläne fallen, die es aufs Spiel gesetzt hätten.
Reinhard war bis in den Juni hinein in Altona geblieben. Offenbar hatte er keine Eile, die Nähe Hamburgs zu verlassen. Das Gebiet der Stadt hatte er allerdings in dieser Zeit nicht betreten dürfen. „Nach Hamburg kommt er nie," klagte die Doctorin ihrem Bruder, „weil Wir in republikanischer Fehde leben." Ende Juni kehrte er nach Bremen zurück. Hier hat er in dieser Zeit Talleyrand wieder gesehen, der sein erster Lehrmeister in der Diplomatie gewesen war. Denn als der Bischof von Autun im Jahre 1792 nach London geschickt wurde mit dem geheimen Auftrag, England von der Coalition abzuhalten und zum Bündniß mit Frankreich zu bewegen, wurde Reinhard dem Marquis von Chauvelin, der amtlich die Geschäfte der Gesandtschaft führte, als Secretär beigegeben; feine erste diplomatische Dienstleistung, die aber hinreichte, Talleyrand