Heft 
(1906) 15
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Vorgängen oft non eurer winzig kleinen Zeit das Leben eines Menschenkindes ab. Aber die elektrische Straßenbahngesellschaft ist Zugleich auch eine Erwerbsgesellschaft. Deshalb muß dafür Sorge getragen werden, daß das vollkommenste Sicherheit^ mittel auch den wirtschaftlichen Forderungen entspricht. Aus diesen Gründen hat der Ingenieur auch die Kräfte zu messen, die die Betätigungen der Bremsen erfordern. Er muß feststellen, welche Vorrichtung bei gleicher Vollkommenheit am sparsamsten wirkt: sei es die mechanische, die Luft- oder die elektrische Bremse.

Das Interesse für die Schilderung der Meßapparate in irgend einen: technischen Betriebe liegt Zumeist weiteren Kreisen sehr fern. Sie seht Begriffe voraus, denen die Laienwelt ratlos und fremd gegenübersteht. Ihre Vorführung wirkt trocken und fremdartig. Es rührt sich beim Leser keine verwandte Saite. Im elektrischen Meßwagen aber ge­winnt das künstliche Meßin strument eine Seele. In ihn: sehen wir gleichsam den ver­körperten Verstand, der über dem weiten Betriebe waltet. Der Meßwagen stellt ein fahrendes physikalisches Observatorium dar, in dem alles mit größter Vorsicht geprüft werden kann, was nottut.

Die innere Einrichtung des Meßwagens paßt sich mit außer­ordentlichem Geschick seinen viel­fachen Aufgaben an. Seine eine Hälfte (siehe Bild 4) gleicht einem eleganten Salon, der für Abnahme- und Revisions­fahrten bestimmt ist, und der mehr dazu dient, an der Hand der Spezialkarte den Direktoren und sonstigen Besuchern den Betrieb in Parade vorzuführen.

Die andere Hälfte ist der eigentliche Meßraum. Ent­sprechend dem doppelten Zweck, den der Meßwagen verfolgt, besitzt er eine Doppelkollektion von Meßapparaten. Die ein­facheren Demonstrations- und Lehrapparate sind auf der großen Schalttafel angebracht, die uns das 5. Bild zeigt. An ihnen wird nicht nur den zukünftigen Oberbeamten jeder Vor­gang innerhalb des Betriebes gewiesen, sondern sie zeichnen auch viele Vorgänge automatisch und selbständig auf. An dem oberen Teile der Schalttafel bemerkt man einige Hebel, die als Ausschalter dienen, um den: Strome zu gebieten. Die runden Meßapparate wiederum geben Aufklärung über den Kraftverbrauch der elektrischen Bewegungs­apparate der Motoren. Sie erlauben die Größe der elektrischen Energie, der elektrischen Spannung und ähnliches festzustellen.

Besonders bemerkenswert, auch für den Laien, dürften die beiden kastenartigen Vorrichtungen an: unteren Teile der Schalttafel sein. Es sind die automatischen Registrierapparate, die ganz selbständig die Geschwindigkeiten des Wagens in Metern aufzeichnen, und die Menge des Stromes, die dabei Verbraucht wird. In originellster Weise notiert das ein kleiner elektrischer Funke, der eine wellenförmige Linie in ein bewegtes Papier hineinbrennt. Aus ihr vermag sich der Ingenieur zu unterrichten, was sich für den Betrieb des Wagens Inter­essantes in seiner Abwesenheit begeben hat.

Den Oberbeamten kann an der Schalttafel amlebendigen Apparale" gezeigt werden, ob und wann der Betrieb sich wirtschaftlich gestalte. Der Beamte sieht, wie der Zeiger am

Meßapparate steigt, wenn der Wagen einen Berg hinauf klimmt, und wie die Strommenge zunimmt, wenn der Wagen hin und her geschleudert wird. Er kann sich also mit eigenen Augen davon überzeugen, was vorgeht, und selbst ermessen, wie zu handeln ist, um den Betrieb au: besten und am wirt­schaftlichsten einzurichten.

Die Apparate des Meßtisches (siehe Bild 6) dienen ausschließlich den wissenschaftlichen Arbeiten der Betriebs­ingenieure und sind daher zumeist Präzisionsapparate erster Klasse. Sehr geschickt und übersichtlich breiten sie sich auf den: Tische vor dem Beobachter aus. Wir haben es also tatsächlich mit der Wiederholung der Apparate auf der Schalt­tafel zu tun, nur daß sie für viel größere Genauigkeit konstruiert wurden und noch vermehrt sind durch Apparate, die für die

Anschauung und den Unterricht

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Abb. 6. Der Meßtisch.

nicht angebracht erscheinen.

Es findet sich auf dem Meßtische ein Wegemesser, der den zurückgelegten Weg des Wagens in Metern angibt. Ein eigenartiger Neigungsnwsser mißt durch einen Pendel die Stei­gung und Neigung, die das Fahrzeug auf seinen: Wege mit der Horizontalebene macht, und gibt das Ergebnis auf einer Skala wieder. Gut vermag man rechts und links auf den: Meßtische die Druckmesser zu erkennen, die den Druck der Luft in der Luftbremse und anderen Instrumenten schnell und sicher überschauen lassen.

Bewundernswert hat es der Konstrukteur des Meßwagens ü verstanden, die wichtigsten Ap­

parate dem Beobachter gleichsam vor Augen zu stellen. Davon ^ gibt ein Chronometer, der die genaueste Zeitkontrolle zuläßt, eine gute Illustration. Nicht minder ein lautsprechendes Telephon, das Schaff­ner und Fahrer mit den: Ingenieur ständig verbindet. Es ist mit seinem Stän­der gut auf unserem Bilde zu erkennen.

- - Aber damit ist die Spürkunst des

messenden und beobachtenden Physikers noch keineswegs erschöpft. Seine Apparate er­zählen ihm noch von dem Widerstand, den die sogenannten Schienenstöße Hervorrufen; sie ermitteln die Spurweite der Gleise, sie bestimmen die Krüm­mung, die die Schienen besitzen, und stellen die Kraft fest, die zu der Bewältigung des Fahrzeuges bei einer gewissen Geschwin­digkeit mit und ohne Anhängewagen aufgewendet werden muß.

Die genaue Kenntnis aller dieser Einzelheiten, gestützt auf eigene im Meßwagen gemachte Beobachtungen, ermöglicht den Aufsichtsbeamten, in richtiger Weise auf das Fahrpersonal einzuwirken und bei gefährlicheren Störungen, die im Betriebe Vorkommen, erfolgreich einzugreifen.

Im höheren Sinne endlich hat der Betriebsingenieur die Gelegenheit, alle Unvollkommenheiten des Bahnsystems zu durchschauen, zu prüfen und festzustellen, wie sie zu heben sind. Der Meßwagen ist der Quell für die Forschung und für die Erkenntnis neuer Gesetze und Regeln, mit deren Hilfe der Konstrukteur verbesserte Anlagen zu schaffen vermag.

So vollziehen sichhinter den Kulissen der Großen Elektrischen" die mannigfaltigsten Arbeiten in steter Weiter­entwicklung, von den einfachsten Handgriffen des Fahrers bis zu der schöpferischen Tätigkeit findiger Ingenieure.