Heft 
(1906) 18
Seite
373
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Georg Bangs Liebe.

(4. Fortsetzung.) Roman von Karl Rosner.

Lage und drei Nachte waren hmgegangen. Herr Heinrich Gerold ruhte draußen neben seinem Buben. Drei Tage waren es voll tiefer Schmer- zen, Tage, in denen Georg Bang und seine Mutter mit dem Gedanken rangen, daß sie den edlen Mann, der da geschieden war, nie wieder sehen sollten.

Am Montagmorgen hatte Frau Marie Bang Frau Gerold ausgesucht.

Im Vorzimmer kam ihr Sephi, bleich und schon im schwarzen Trauerkleidchen, entgegen. Wie das Kind die Mutter seines Freundes sah, mit dem es jenen schrecklichen Augenblick durch­lebt hatte, brach es in lautes Schluchzen aus. Frau Bang aber, der selbst die Hellen Tränen niederliefen, und der die Stimme kaum gehorchen wollte, zog Sephi eng an sich.Mein Kind mein liebes liebes, armes Kind!"

Dann kam Frau Gerold, bleich, mit rotgeweinten Augen, in ihrem ganzen Wesen die Zeichen einer qualvollen, durch­wachten Nacht.

Als sie Frau Bang im Zwielicht des Vorzimmers erkannte, hielt sie erst einen Augenblick wie zaudernd still, dann trat sie näher.

Sie sind's, Frau Bang das tut gut, wenn

man im Unglück nicht allein gelassen wird ..."

Sie trocknete mit ihrem Taschentuche an den Augen und öffnete die Tür nach dem Kinderzimmer.

Kommen Sie doch nur einen Augenblick ..."

Frau Bang, die immer noch die kleine Sephi umschlungen hielt, trat mit dem Kinde ein.

Nun sah sie zu Frau Gerold hin und sah im Hellen Licht des Raumes das ganze Leiden und die ganze Oual in diesen Zügen. Das schöne Blondhaar hing ihr wirr um eingefallene Wangen, die Lippen zitterten, und um den Mund, der sonst so stolz gelächelt hatte, lagen entstellend in zwei tiefen Falten alle die quälenden Gedanken dieser Nacht.

Und seltsam, Frau Marie Bang griff es bei all dem Schmerz, der sie erfüllte, auch wehmütig ans Herz, als sie die schöne Frau so welk und elend sah.

Wollen Sie sich nicht setzen, Frau Bang . .

Die Stimme zitterte. Ängstliche Spannung lag in Hellem Beiklang neben der schmerzvollen Erschütterung. Und die weiße Hand umgriff eine Stuhllehne und rückte den Stuhl zurecht.

Frau Bang blieb stehen. Die beiden ab gearbeiteten, arbeits­schweren Hände strichen noch immer über Sephis Haar und Wangen.

Ich bin gekommen, weil ich fragen Hab' wollen, ob ich das Kind, die Sephi, nicht für ein paar Stunden zu mir hinüber nehmen soll heut' und in den nächsten Tagen bis alles hier vorüber is' ..."

Wie gut Sie sind, Frau Bang ..."

Die Mutter Sephis blickte auf, und wohl sekundenlang ruhten die Augen der beiden Frauen ineinander. Da war's, als ob es in dem Innern der Frau Gerold übermächtig würde. Die Schultern zogen sich zusammen wie im Krampfe, die Brust hob sich, und um die Lippen ging ein Zucken. Und plötzlich warf sie sich mit jäher Bewegung auf den Stuhl, den sie gehalten hatte, und drückte das Gesicht in beide Hände. Heiß klang ihr Schluchzen, und ihr ganzer Körper ward davon geschüttelt.

Und Frau Marie Bang sah nieder auf Frau Gerold, und all ihr herbes Urteil über diese Frau, das sie erkältend immer mehr ergriffen und erfüllt hatte, schmolz dahin. Sie sah nieder auf diese leuchtenden und schweren Strähnen des goldenen Haares, auf diese weißen, wohlgepflegten Hände und konnte alle die Empörung, den Abscheu nicht mehr in sich finden, die sie so lange in sich getragen hatte.

Wie ein Verstehen und ein Schlüssel zu allem, was ge­schehen war, kam ihr nun nur der eine Gedanke: Die beiden Menschen haben nicht zueinander gepaßt nicht, weil er gut war und sie schlecht, nicht weil er tief war und sie nicht nur weil sie so verschieden waren, weil sie die große Brücke zueinander nicht hatten schlagen können. Sie waren beide einsam, als der Schmerz ins Haus gezogen war. Herr Gerold hatte sich in seinem Kult des toten Kindes die Zuflucht seiner Ein­samkeit geschaffen und sie sie hatte sich an die Lebendigen gehalten . . .

Frau Gerold ..."

Sie schüttelte den Kopf und schluchzte weiter.

Liebe Frau Gerold ..."

In Frau Marie Bang stieg heiß das Mitleid auf. Wie furchtbar hatte doch das Schicksal die Sünde diejer Frau gestraft! Wie schrecklich mußte sie doch leiden unter dem Schlage, der nun über sie hereingebrochen war! Ob sie noch leben ob sie sich noch je des Lebens wieder freuen konnte, sie, die sich derart gegen jenen guten Mann vergangen

1906. Nr. 18.

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