Heft 
(1906) 28
Seite
591
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gegeben, so wie gerade die jeweilige Natur der Aufgabe, vielleicht auch wohl seine persönliche Stimmung das ver­langt haben; jedoch muß gerade in bezug auf den letzten Punkt gesagt werden, daß bei Rembrandt im Gegensatz zu dem, was bei vielen andern Künstlern der Fall ist, und auch im Gegensatz zu dem, was man über ihn zu sagen pflegt, die persönlichen Stim­mungen merkwürdig wenig Einfluß auf sein Schaffen ge­habt haben- Seine prächtig­sten Bilder hat er in den Jahren gemalt, wo ihn nicht nur das schlimmste Leid, son­dern auch die ärgerlichsten Sorgen gequält haben. Wie er in so vielen Dingen am besten durch einen Vergleich mit Shakespeare erklärt wer­den kann, so ist das auch in bezug auf die oben erwähnte Vielseitigkeit und aus die Sou­veränität gegenüber den trau­rigen Geschicken des Lebens der Fall. So wie Shakespeare im gleichen Stück den fast monströs jähzornigen König Lear und die zarte Cordelia schafft, so malt Rembrandt zur gleichen Zeit das lebensfrohe Doppelbildnis von sich selbst und seiner Gattin Saskia, das eins der edelsten Stücke der Dresdner Galerie ist, und die grausame Blendung Simsons in der Sammlung des Städelschen Instituts in Frankfurt am Main. Wie ferner Shakespeare trotz aller Enttäuschungen am Ende seines Lebens das glänzende und im besten Sinn des Wortes rührende Mär­chenspiel vom Sturm macht, so kommt Rembrandt gerade in seinen letzten Arbei­ten zu einer bei al­ler Tiefe so außer­ordentlich herzlich warmen Auffassung von Mensch und Menschenschicksal, daß er nicht nur als einer der größ­ten Maler, sondern auch als einer der herrlichsten Dichter dasteht.

Rembrandts künstlerische Tätig­keit kann man nicht in einem Aufsatz zusammenfassen; denn die Pietät der Nachwelt und das Glück haben uns den größten Teil seiner Werke aufbewahrt. Es sind nur wenige, von denen wir wis­sen, daß sie existiert haben, und die nicht mehr sind. Wir

haben noch rund fünfhundert Gemälde von

seiner Hand, eine stattliche Anzahl von Radierungen und eine sehr große Menge von Zeichnungen. Wenn man bedenkt, daß er im Gegensatz zu der über ihn verbreiteten Legende, er habe

kein anderes Buch als die Bibel gekannt, ein reich und fein gebildeter Mann war, dessen Zeit jedenfalls durch gesell­schaftliche Verpflichtungen und durch Lektüre viel in Anspruch genommen wurde, so ist der Umfang seines Werkes staunen- erregend, zumal es sich in der Hauptsache um lauter eigen­händige und sorgfältig durch­geführte Arbeiten handelt. Schülerhilfe hat er wohl nur wenig in Anspruch genommen und konnte es auch nicht tun; denn er war zu sehr mit immer neuen Problemen beschäftigt, als daß er jene Ruhe und Routine hätte erwerben können, wie sie z. V. Rubens hatte, und wie sie nötig ist, wenn man Schülern die Mitarbeit ge­statten will. Es gibt einen sehr lehrreichen Fall, der uns über Rembrandt in dieser Beziehung ein sehr Helles und günstiges Licht gibt. Im Jahr 1 hatte er ein jetzt in der Eremi tage von Petersburg befind liches Bild gemalt, das Abra­hams Opfer (siehe S. 5W) darstellt. Ein Jahr danach ließ er es durch einen Schüler kopieren, aber während dieser an der Arbeit war, über­zeugte sich Rembrandt, daß allerlei an der Komposition zu ändern sei, nahm dem Schüler das Bild weg und veränderte das Ganze gründlich, wie er selbst in einer Inschrift auf der Replik aus­sagt. Die zweite Ausführung befindet sich jetzt in der Münch­ner Pinakothek und ist der ersten, was die Feinheit und Tiefe der Kom­position anlangt, weit überlegen. Der Fall ist auch dafür wichtig, daß man sieht, wie rastlos und intensiv Rem­brandt an sich selbst und seinen Werken weitergearbeitet hat. Wenn der an­dern Meistern im allgemeinen nur wenige, durch Stil­unterschiede von­einander getrennte Epochen zu unter­scheiden sind, so hat Rembrandt seine Kunst von Jahr zu Jahr verändert, vertieft und herr­licher gestaltet. Das ist auch der Haupt­grund, warum es unmöglich ist, sich in einem kurzen Überblick über seine Kunst zu

Selbstbildnis (1640).

(London, Nationalgalerie.)

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Das Opfer Manoahs. (Dresden, Gemäldegalerie.)