Issue 
(1879) 27
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Moderne Magie.

Allan Kardec; mit ihr erneuert er die uralte Lehre von der Scetenwanderung, zu welcher sich zuletzt auch noch Lessing bekannte. Und wie schon die alten Religionen und Philosophen diese Idee zur Theodicee, zur Rettung des Glaubens an eine sittliche Weltordnung und zur Losung der mannigfachen verwirrenden Räthsel des menschlichen Daseins zu verwehrten wußten, so geschieht es auch bei Kardec und zwar mitunter in überraschend geistvoller Weise. Aber sie wird für ihn und seine Anhänger zugleich die Verlockung zu dem Spiele einer von dem Leitbande des Verstandes losgelassencn Phantasie. Im weiteren Fortgange seiner Entwickelungen verwirft Allan Kardec die kirchliche Auffassung vom Wunder und setzt an ihre Stelle die Annahme einer beständigen, gleichfalls nach festen Gesetzen der Weltordnung sich vollziehenden, also natürlichen Einwirkung der Geister in den Bereich unserer Sichtbarkeit; mit andern Worten: er sucht die spiritischen Phänomene als in den allge­meinen Causalnexus ausgenommen darzustellen. Es würde uns zu weit führen, wollten wir dem Autor in das Detail seiner physikalischen und psychologischen Ansichten folgen; nur um seine Stellung zum Christenthum zu zeichnen, sei noch hervorgehoben, daß er größer von dem Gründer desselben denkt, als Davis; Jesus erscheint ihm als ein höherer, von Gott gesandter Geist, dessen außerordentliche Thaten von den Erfahrungen des Spiritismus aus zugestanden, aber nach den Hypothesen desselben erklärt werden. In einer Art von Commentar zu den Evangelien soll der Spiritismus nicht als eine Negation, sondern nur als das reifere Verständniß der Lehre des Christenthums aufgezeigt werden. Schließlich fehlt es auch bei diesem Autor nicht an apokalyptischen Hoffnungen und Ausblicken auf eine bessere Zukunft des Menschengeschlechts auf Erden, und wird deren Beginn bereits von dem Auftreten und der Verbreitung des Spiritismus an datirt, da mit ihm zuerst eine moralische Erneuerung der Menschheit eintreten und daran von selbst eine große sociale Reform sich knüpfen müsse. Das vierte Werk (ll'Lvanoüls 8s1on 1s tchürilisuis) wendet sich den moralischen Lehren Jesu zu und legt ihre Uebereinstimmung mit der Ethik des Spiritismus dar. Einen wahrhaft unheimlichen Eindruck aber macht das fünfte Buch (Es sisl st l'srcksr), wo die Zustände verklärter und verworfener Geister geschildert und zuletzt die Eitationen mehrer derselben mitgetheilt werden.

Zu den glühendsten Anhängern von Kardec gehörte früher auch der Astronom Camille Flammarion. Derselbe hielt dem Meister im Jahre 1869 eine begeisterte und pietätsvolle Grabrede, will aber heute, obschon er die Realität des Spiritismus noch immer nicht in Zweifel zieht, von dieser seiner Jugendschwärmerei nicht gerne mehr hören. Bald nach Kardec's Tod ereignete sich der komische Vorfall, daß ein von ihn: selbst hochgeschätztes Medinm Morin ein reumüthiges Bekenntniß des Verstorbenen über die Herrschsucht und den Hochmuts), womit er erleuchtete Personen vom Spiritismus zurückgestoßen und dessen Verbreitung gehindert habe, erhalten haben wollte.

Großes Erstaunen mnßte es erregen, als der große Mathematiker Babinet,