356
Johannes 6über in München.
welcher bislang behauptet hatte, daß der Wille nicht die Epidermis überschreite, aus seiner eigenen Erfahrung bestätigte, daß sich auf seinen Befehl ein Tisch vom Boden in die Luft erhoben habe. Es sind überhaupt manche hochgefeierte Namen in Frankreich und Paris, die mehr oder minder zu den Gläubigeil zu zählen sind, so z. B. Victor Hugo, Louis Blanc, der Lustspieldichter Sardou und manches angesehene Mitglied der Linken in der Nationalversammlung zu Versailles. Gewiß ist, daß der Spiritismus in allen Kreisen der Pariser Gesellschaft gepflegt wird, in den vornehmsten Salons nicht minder, wie in den Kammern der Ouvriers von Velleville und Vilette. Ja, es gibt hier Personen, denen er zu einer Art von Sport geworden ist; wie ich denn selbst einen reichen Grafen aus der Havaunah kennen lernte, der sich um das Honorar von 3000 Franken jährlich ein eigenes Medium zum Privatgebrauche hält und der in seinem Vertrauen auf dasselbe selbst dann nicht erschüttert werden konnte, als es wegen unzweifelhaften Betruges gerichtlich verurtheilt wurde. — Mehrere Revuen und eine Menge von Schriften, deren Zahl sich fortwährend vermehrt, beschäftigen sich auch in Frankreich mit der mysteriösen Kunst uud Wissenschaft. ^
Die Reincarnationstheorie fand in Oesterreich-Ungarn an Adelina von Vay eine Vertreterin. Die schöne Gräfin ist ein interessantes psychologisches Räthsel; bei ihr, als einem gebornen Dichter, könnte mau Wesen und Wirksamkeit der Phantasie und die Gesetze, nach welchen dieselbe wie in einer Art von natürlichem Wachsthum ihre Gebilde eutstehcn läßt, studiren. Aber die Phantasie steht bei ihr in: Dienste eines wunderbaren Ahnungsvermögens, dessen Schöpfungen sich wieder immittelbar in das Sinnessystem projiciren und zu symbolischen Bildern verdichten. Auch im wachen Zustande der Macht der Traumphantasie verfallend, dichtet Frau Adekma ganze Romane und schreibt sie ohne Reflexion auf, ähnlich wie beim Schlaswandel eine unbewußte Vorstellung zur Handlung treibt. Die religiösen Vorstellungen ihrer Jugend und später im Verkehr, oder aus der Lectüre eingesogeue Ideen, verwebteil sich in ihrem Geiste zu einer ihr selbst nicht vollbewußten Conception, die sich plötzlich triebartig gestaltete und nach Aeußerungen drängte. Diesem Impulse folgend und die blitzartig aufleuchtenden Gedanken schriftlich sesthaltend, nahm die Gräfin ihren eigenen ideellen Besitz als Inspiration und Dictat fremder Geister und sie that dies im guten Glauben, da ja dieser Besitz in ihrer Seele ein mehr unbewußtes Depositum war. So erklärt sich psychologisch die Entstehung ihres Buches „Geist, Kraft und Stofs," das sie unter besonderer Leitung von Buddha, der Jungfrau Maria und dem Märtyrer Laurentius im Jahre 1869 innerhalb 36 Tagen verfaßt haben will und das sie nun als „eine heilige Gabe" und in denn sicheren Gefühl hierin nur nach Gottes Willen zu handeln, Publicirte. In dieser verworrenen Schrift sollen die Tiefen der dreieinigen Gottheit, die Geheimnisse der Schöpfung und die Schicksale der Geisterwelt aufgedeckt werden. Zuletzt verläuft sich die ganze Offenbarung in eine so dunkle Zeichen- und Zahlenmystik, daß selbst ein so