Paul Lfeyse in München.
Auch als ich im Herbst zu deu Jagden wieder auf das Gut kam, nachdem ich mein Juvalidenthum sammt seinem Appendix, dem Weltschmerz, in der See von mir abgespült hatte, siel mir wochenlang nicht ein, mich nach den „vier armen Frauenzimmern" zu erkundigen. Schwester und Schwager waren selbst verreist gewesen und hatten an ganz andere Dinge zu denken gehabt. Erst bei einem einsamen Pürschgang, den ich gegen Mitte October an einem widerwärtigen naßkalten Nebeltage unternahm, besann ich mich daraus, daß ich dieselben Waldwege vor fünf Monaten gewandelt war und daß sie mich endlich zu der Eselin mit der problematischen Seele geführt hatten.
Was mochte aus Minka inzwischen geworden sein?
Ich schritt rascher zu, da der Abend schon hereinbrach. Im Wald ward's schon nächtlich und unerquicklich, der Nebel troff jäh und schwer von den Fichten, die kleine Waldblöße mit den Birken und Ebereschen nahm sich trotz der rothen Beeren, die jetzt reichlich zwischen den fahlen Zweigen hingen, nicht mehr so lustig aus, wie an jenem Tag im Mai, wo nur ich selbst ein verdrossenes Gesicht schnitt. Als ich endlich aus den Fichten hcraustrat, die den Höhenrand einsäumen, lag das Land unter mir und die schwarzblauen Berggipfel am Horizont so wunderlich da, wie wenn gleich ein furchtbares Unwetter Hereinbrechen sollte. Noch war die Luft ganz still, man hörte die einzelnen Tropfen in das dürre Laub niederfallen, und nur von Zeit zu Zeit kreischten oben in den Wipfeln die Dohlen, die in dieser Gegend sehr häufig sind. Der Lärm war mir so zuwider, daß ich plötzlich in einer Art Jähzorn den Zwilling von der Schulter riß und den Schrotlauf in den arglosen Schwarm abfeuerte. Eine einzige Getroffene siel mir zuckend und flügelschlagend vor den Füßen nieder. Ich schämte mich dieser kindischen Entladung und ging hastig auf die Hütte los, die noch ganz in der alten Verfassung, nur in dem schmutzigen Abeudnebel noch kläglicher, auf dem alten Platze stand.
Der eingezäunte Platz hatte sich durch ein Paar Kürbisranken, die über die Unrathhügel hinkrochen, und durch ein halb Dutzend hoher Sonnen- blumenstanden wesentlich verschönert. Das schwarze Huhn aber schien den Sommer nicht überlebt zu haben. Auf der anderen Seite des Hauses, wo Minka gelagert hatte und das Brünnchen floß, war keine Spur mehr von ihr zu finden. Es mochte der armen Wunden schon längst auf diesem feuchten Lager zu kalt geworden sein. Wo aber war sie hiugekommen? Ich mußte vor mich hin lachen, als ich mich darauf ertappte, daß auch mir jetzt das Schicksal der unvernünftigen Creatur interessanter war, als das der menschlichen Insassen dieser Hütte. Von denen war Nichts zu hören und zu sehen.
In der Stube, wo der Webstuhl stand, sah Alles ziemlich ebenso aus wie bei meinem ersten Besuch, nur das Strohbette im Winkel war leer. Dazu der Ofen kalt und alle Fenster offen. Ich drückte die Klinke an der Thür des einzigen niederen Gemaches, auf der rechten Seite des engen Hausgangs. Wie erstaunte ich aber, als ich hier von den vier Frauenzimmern wenigstens