Die Eselin.
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Eine fand, die gute Minka. Sie lag auf einer Streu von gelben Blättern, Moos und Fichtenzweigen dicht neben einem niedrigen Herde, auf welchem noch Kohlen glimmten, und hob den Kopf traurig und matt, als sie mich eintreten sah. Hier mußte die Alte Hausen, es lag und stand außer dem wenigen Küchengeräts) allerlei Weiberkram herum, und auf der anderen Seite des Herdes stand ein alter Großvaterstuhl mit zerrissenem Polster, der offenbar der Mutter Lamitz als Bettstatt diente. So hatte sie ihre kranke Pflegetochter in ihrer nächsten Nähe untergebracht.
Ich trat zu dem armen Geschöpf hin und kraute ihr das Fell zwischen den Ohren, die wehmüthig dankbar wackelten. Die Wunde hatte sich offenbar verschlechtert, der ganze Zustand war bedenklich, und zum ersten Mal sah ich an einem Thier so etwas wie ein hippokratisches Gesicht. Sie fing, da sie sah, daß ich ihr wohlwollte, mit sichtbarer Mühe an, ein paar unarticulirte Laute aus der müden Brust hervorzustoßen, konnte sich aber offenbar nicht mehr so ausdrücken, wie sie wollte, und ließ, indem sie wieder verstummte, mit einem unbeschreiblichen Blick die Zunge zum Munde heraushangen, was ihr in meinen Augen den letzten Rest von Schönheit nahm. Und da ich ihr keinen Trost zu bringen wußte, verließ ich sie nach wenigen
Minuten wieder, ohne die Thür zu schließen, da der Brodem in dem dumpfen
Raum, in dem ich kaum zu athmen vermochte, auch für einen kranken Esel nicht zuträglich sein konnte.
Draußen sah ich mich nach allen Seiten um. Von Großmutter, Mutter und Kind nirgend eine Spur. Im Walde — was hätten sie dort zu suchen gehabt bei dem schaurigen Nebelwetter und so spät am Tage? Sie werden in die Stadt hinuntergegangen sein, dacht' ich, dort irgend einen Einkauf zu machen. Aber Gott weiß, wann sie wiederkommen.
Sie droben zu erwarten, war die dumpfe Hütte nicht einladend genug.
Ich dachte, ihnen vielleicht unterwegs zu begegnen, da ich auch hinunter
wollte, um den Rückweg lieber auf der Chaussee, als auf dem schlüpfrigen,
dunklen Waldwege zu machen. So ging ich wieder den schmalen Pfad zwischen den Wiesen hinab und hörte jetzt erst von der Stadt heraus eine gedämpfte Tanzmusik, besonders Clarinette und Contrabaß, die aus dem Wirthshause kommen mußte. Es klang aber gar nicht munter, vielmehr wie das richtige Accompagnement zu dem melancholischen Liede, das Himmel und Erde mit einander sangen. Wie wenn Nebelgeister sich einen Ländler aufspielen ließen, um toll über kahlen Berghöhen sich mit einander hin und her zu drehen.
Jene Gegend ist überhaupt unmusikalisch. Nur wenn einmal ein Trüppchen wandernder Böhmen sich in diesen Winkel des Gebirges verirrt, hört man flotte Weisen in rüstigem Takt, der aber selten die schwerfälligen Gliedmaßen der Bursche und Mädel in Bewegung setzt.
Nun, das Alles gehört eigentlich nicht zur Sache. Ich will mich kurz fassen. Nicht zwanzig Schritte war ich hinabgestiegen, da seh' ich an dem
Nord und Süd. XIV, 40 . 2