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beschuldigt sie des mangelnden Patriotismus; er erlaubt sich Vorwürfe gegen den Reichstag. Wann geht er endlich, denn nun ist's doch offenbar, er ist nicht länger zu ertragen!" —
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Es besteht in Deutschland eine kleine Minorität von Politikern, welche eine ernste Gefährdung des jungen Reiches durch die Eigenthümlichkeit des deutschen Volkscharakters für möglich halten, und deshalb mit Kummer in die Zukunft schauen. Ein glühender Vaterlandssreund, welcher zu diesen Sonderlingen zahlt, war auf den seltsamen Gedanken verfallen, ein Stück Zukunftsgefchichte zu fingiren, um durch Publikation desselben seinen Landsleuten gewissermaßen einen Spiegel vorzuhalten. Vor seinen Augen stand das lebendige Bild deutscher Schwäche seit den Freiheitskriegen. Seine Seele hatte schwer gelitten zu jenen Zeiten, wo bald der östliche, bald der westliche Nachbar seinen Fuß der deutschen Nation auf den Nacken fetzte. Begeistert für die neue Erhebung feines Volkes wollte er an seinem bescheidenen Theile daran Mitwirken, daß das neue deutsche Reich festen Bestand erhalte. Es fei aus den eigenartigen Aufzeichnungen dieses Mannes, welche mit Bismarcks Rücktritt beginnen, das Folgende hier wiedergegeben:
„Als Bismarcks Rücktritt unwiderruflich geworden war, ließ die Entscheidung über seinen Nachfolger nicht lange auf sich warten. Ein in Bismarck'scher Schule erzogener gewiegter Diplomat wurde dem athemlos lauschenden Europa als neuer Reichskanzler bezeichnet. Der Kaiser wünschte den baldigen Zusammentritt des Reichstages, den er persönlich eröffnete. Mit bewegter Stimme gab er beim Empfang der Präsidenten feinen Schmerz über den Rücktritt des großen Kanzlers zu erkennen. Er sagte wiederholt, daß das deutsche Reich nun erst anfangen müsse, den Beweis seiner Existenzfähigkeit zu liefern. Das Vaterland rechne mehr als je auf den Patriotismus und die Weisheit des Parlamentes, — mit diesen Worten entließ er das Präsidium. Die Fractionen des Reichstages entwickelten ersichtlich eine große Geschäftigkeit. Es schien, als ob allenthalben bisher zurückgehaltene Pläne und Projecte ausgenommen und vorbereitet würden. Jeder Einzelne machte den Eindruck, als ob er in feinen eigenen Augen größer und mächtiger fei, denn zuvor; nur das Centrum, welches nach der allgemeinen Ansicht am meisten gewinnen konnte, demonstrirte mit einer timiden, beinahe demüthigen Haltung. Man wollte darin eine wohlüberlegte Taktik erkennen, so daß ein liberaler Abgeordneter bei der ersten Gelegenheit dem Führer der Centrumspartei sagte, es scheine ihm ein Fuchs im Schlafrock zu stecken. Die Herausforderung blieb unbeantwortet. Daß der Wechsel in der Person des Reichskanzlers eine veränderte Ordnung der Dinge herbeiführen müsse, wurde allseitig ausgesprochen. Die Plänkeleien ließen auch nicht lange auf sich warten. Gelegentlich einer die Finanzen betreffenden Gesetzesvorlage wagte ein Führer der liberalen Partei die Frage, ob der neue Kanzler