Issue 
(1880) 40
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-Ein Blick von der politischen Warte.- HO?

trotz mehrfacher Excitatorim lange auf sich warten, so lange, daß ein osficiöses süddeutsches Blatt inzwischen eine ganze Serie von Staatsweisheit triefender Artikel über den Gegenstand publicirte. Als der Bescheid endlich kam, lautete er ausweichend und wenig befriedigend. Der Nachdruck des

nicht umfangreichen Actenstückes lag in der Erklärung, daß man sich keines­wegs mit allen Ausführungen des Ausschusses im Einverständnis; befinde, daß aber jedenfalls die Rechte der Bundesstaaten in peinlichster Weise gewahrt werden würden, daß übrigens die Großmacht Preußen niemals eine andere als eine acht deutsche Politik getrieben habe, und die Vereinigung der preußischen Krone mit der deutschen Kaiserkrone die beste Garantie für eine allseitig befriedigende auswärtige Politik des Reiches liefere. Der Ausschuß hielt es nicht für opportun, die Angelegenheit sogleich weiter zu verfolgen; indeß blieb, zumal bei einigen von persönlichem Ehrgeiz besonders erfüllten Mitgliedern ein Stachel zurück, der sich bald nach anderer Richtung be­merkbar machte. Die Angelegenheit gelangte dann auch in die Presse, und hatte hier die erklärliche Folge, den alten, seit einem Jahrzehnt ein- geschläferten Gegensatz zwischen specisischem Deutschthum und specifischem Preußenthum wieder aufzurütteln. Bismarck hatte diesen Gegensatz stets unterdrückt, und, wo es nicht anders anging, sogar verspottet. Die Ent­wickelung, welche die Angelegenheiten in Deutschland unter seiner Führung genommen hatten, sein steter Appell an die Liebe der Deutschen zur Größe des Reiches, am allermeisten aber der hohe Respect der Regierungen wie der Fürsten vor der Weisheit seiner Politik hatten ihm die Wahl dieses Standpunktes leicht gemacht; der neue Kanzler konnte sich aus ähnliche Erfolge nicht berufen, und der Rechtsstandpunkt trat ihm gegenüber daher in allen Beziehungen schärfer hervor. Dies betonte auch der einsichtsvollere Theil der Presse, welcher übereinstimmend geltend machte, daß in der Reichs- Verfassung ganz unverkennbar Vieles auf die Riesengestalt Bismarcks zuge­schnitten sei, und nach seinem Rücktritt durch sachgemäße Aenderungen dem Durchschnittsformat gewöhnlicher Menschen besser angepaßt werden müsse. Man sprach also von Aenderungen der Verfassung, ohne daß zunächst auf irgend einer Seite der Muth vorhanden war, ein bezügliches Project in greifbarer Form vorzulegen.

Als Niederschlag solcher und ähnlicher Vorgänge wurde aber in der deutschen Bevölkerung allmählich die Meinung laut, daß Preußen im Augenblicke nicht mehr wie zu Anfang der von großen Männern mit überwiegender Klugheit geleitete Staat sei, weder in der Civilverwaltung noch in der Armee. Die berühmten Führer der preußischen Armee waren nach und nach zurück­getreten, oder so alt geworden, daß sie nicht mehr zählten. Die angeborene Zweifelsucht fragte, ob das Reich in einem neuen Kriege wiederum das Glück der WafM für sich haben würde. Unter dem Einflüsse einer bekannten dem Deutschthum überaus feindlichen Partei in Bayern fing die öffentliche Meinung daselbst an, die vertragsmäßigen Befugnisse des Kaisers zur