Controlliruug der bayerischen Armee als eine Kränkung Bayerns zu erklären. Man stellte die Forderung, daß der Kaiser dieses verfassungsmäßige Recht durch Nichtgebrauch in Wegfall bringen möge, und die bezeichnte Partei hatte die Keckheit, eine große Versammlung zu veranstalten, um für diesen angeblichen Wunsch des bayrischen Volkes zu demonstriren. Das Programm des beabsichtigten Massenmeetings bezeichnte „die Freiheit der Armee" als Thema der Erörterung, und die Parteipresse führte aus, daß die bayerischen Truppen sich im Kriege von 1870 den preußischen ebenbürtig gezeigt, damit also den Beweis geliefert hätten, wie sie dieser Obervormundschaft ohne Schädigung des Reiches entrathen könnten. Die Behörden verhinderten zwar die Abhaltung der Versammlung; indes; konnte es nicht fehlen, daß die Sache in ganz Deutschland lebhaft besprochen wurde. Und die jener Partei angehörigen Mitglieder des bayerischen Landtages erklärten unumwunden, daß sie an diesem Project festhalten und immer auf's Neue darauf zurückkommen würden. Die Reichsregieruug enthielt sich jeder ofsiciellen Aeußerung; der Kaiser aber bekundete seine Stellung zur Sache sehr deutlich dadurch, daß er früher als sonst im Jahre eine umfassende Jnspicirung der bayerischen Armee anbefahl.
Inzwischen hatte die politische Parteigruppiruug anläßlich der bevorstehenden Reichstagswahlen eine etwas veränderte Gestalt angenommen. Vornehmlich bildete sich aus dem linken Flügel der ehemaligen Nationalliberalen unter Hinzunahme jüngerer Kräfte eine neue Partei, welche als ihr Programm neben der Wahrung und Förderung der Größe des Reiches in echt Bismarck'schem Geiste die Anstrebung von absolut liberalen Institutionen im Innern bezeichnet. Die Conservativen gingen aus den Wahlen nicht zahlreicher hervor; dagegen erschienen die Mannen des Centrums vollzählig aus dem Platz. Sorgenvoll berechnete der neue Reichskanzler die ihm ergebenen Stimmen, und kam zu dem Resultat, daß es zur Erhaltung seiner Position nothwendig sei, mit dem Centrum zu verhandeln. Persönliche Neigungen in den höchsten Sphären unterstützten seinen Entschluß. Die Verhandlungen wurden geschickt angeknüpft, und hatten nach längerer Dauer das merkwürdige Resultat, in der Centrumspartei eine tiefe Spaltung zu demaskiren. Der eine Theil wollte von keiner Verständigung etwas wissen, die nicht erst im vollsten Umsauge und in feierlichster Weise von Rom gut geheißen wäre. Der andere Theil erklärte diese Bedingung für böswillig, und es wurde offen ausgesprochen, daß viele Mitglieder des Ceutrums in dem kirchlichen Conflict eine bequeme Handhabe erblickten, um allerhand andere frondirende Neigungen dahinter zu verbergen. Rom hielt sich geflissentlich zurück, indem es die überraschende Erklärung abgab, daß die Mitglieder des Centrums als deutsche Unterthanen frei nach ihren eigenen Entschlüssen zu handeln hätten. Geheime Nachrichten besagten, die Curie wolle jetzt die Taktik verfolgen, eine Aussöhnung des Centrums mit der preußischen Regierung anzubahnen, um ihre weitgehend;: Pläne, nach Herstellung besserer Beziehungen