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zu dieser maßgebenden Fraction sicherer verwirklichen zu können. Die zur Aussöhnung geneigte Gruppe knüpfte endlich den Abschluß ihres Pactes an die Bedingung, daß ein von ihr persönlich bezeichnter, streng katholischer Staatsmann als Vicekanzler eingesetzt würde. Der Reichs
kanzler, in dieser Wendung mit Recht eine auf Verdrängung seiner Person gerichtete Jntrigue erkennend, brach die Verhandlungen ab, und betrieb die Auflösung des Reichstages. Der bezügliche Antrag war im Bnndesrathe nicht leicht durchzubringen, wie überhaupt die Mitglieder dieser Körperschaft zusehends eine selbstständigere, dem Reichskanzler vielfach opponirende Haltung einnahmen. Staatsrechtliche Fragen aller Art fingen allmählich an, auf der Tagesordnung zu stehen. Man unterwarf die Zulässigkeit der Ernennung preußischer Minister zu Chefs von Reichsämtern und die Frage, ob Preußen befugt sei, Beamte des deutschen Reiches zu preußischen Bundesbevollmächtigten zu bestellen, eingehender und abfälliger Beurtheilung. Die Minister der Mittel- und Kleinstaaten hielten sich öfter und länger als ehedem in Berlin auf. Die persönliche Vertretung des Einflusses beim Reiche galt bereits als der bei weitem vornehmste Theil der Regierungsthätigkeit der Bundesstaaten. Den Landtagen in Dresden und München gingen Prostete zur Erbauung eines sächsischen und eines bayerischen Palais in Berlin zu, und wurden von den Ministerm eifrig unterstützt. Nicht die Liebe znm Reiche, sondern die ehrgeizigen Pläne einzelner hervorragender Leiter jener Staaten waren die wirklichen Triebfedern dieser Projecte. Man erwog sogar im Kreise einiger Regierungen, ob nicht der jedesmalige Gesandte in Berlin als solcher Mitglied des Ministeriums des betreffenden Bundesstaates sein müsse, da die Legation nur dem Namen nach eine solche, der Gesandte in Wahrheit ein Minister-Commissarius beim Reiche wäre, überdies ein wirklicher Minister schon vermöge seines Ranges die Interessen des Landes in Berlin erfolgreicher als ein bloßer Gesandter vertreten könne. Ein sonderbarer Vorfall in dem Ausschuß für die Marine verlieh der beständig wachsenden Eifersucht einen aeuten Ausdruck. Aus Anlaß der bevorstehenden Fertigstellung eines neuen Panzerschiffes wurde die Frage angeregt, ob der Kaiser als verfassungsmäßiger Chef der Marine befugt sei, ohne Anhörung des Bundesrathes die Namen der zur deutschen Kriegsflotte gehörigen Schiffe zu bestimmen. Zur Motivirung wurde bemerkt, daß nachgerade genug Schiffe der Flotte auf preußische Namen getauft seien, und daß es sich zieme endlich auch der anderen deutschen Bundesstaaten zu gedenken. Von einer Seite wurde für das neue Panzerschiff der Taufname „August der Starke" verlangt, nach einem anderen Vorschläge sollte es „Eberhard" genannt werden. Zur Schlichtung des Streites stellte ein drittes Bundesrathsmitglied den Antrag, mau möge das Schiff „Günther von Schwarzburg" nennen. Ein zum Spott aufgelegter preußischer Bevollmächtigter erlaubte sich hiergegen die Bemerkung, es lasse ihn dieser Streit lebhaft der Zeiten gedenken, wo die deutschen Kurfürsten mit Vorliebe den machtlosesten unter den Wahlcandidaten zun: deutschen Kaiser wählten,