Issue 
(1880) 40
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Rudolf 5epdel in Leipzig.

Glaube an das Kreuz doch das Herzin seiner natürlichen Farbe lasse" unddie Natur nicht verderbe".

Durch ihre Richtung aber auf das Innerste des religiösen Gemüths- lebens konnte die lutherische Reformation naturgemäß nicht unmittelbar mit der Renaissance in Verbindung kommen, sondern mit einer andern der das mittelalterliche Christenthum auflösenden Mächte, mit der Mystik, wie sie bereits im vierzehnten Jahrhundert und von da ab ununterbrochen im fünf­zehnten und sechszehnten namentlich in Deutschland sich als Ausdruck des freien, selbstwüchsigen Innenlebens religiöser Persönlichkeiten dem officiellen Kirchenthum und dem verstandesmäßig sixirten Dogma entgegengestellt hatte. Für die specisisch religiöse Reform, für die Freigebung des neuen religiösen Lebenskeims war dies unfraglich der rechte, allein tragfähige Boden und und Ausgangspunkt; aber es war natürlich, daß die anfängliche Ausschließ­lichkeit in der Pflege dieses religiösen Keimes einen Widerstand erzeugte gegen die neu andringenden antiken und Humanitären Lebenselemente, die nur all­mählich immer tiefer in jene religiösen Keime ausgenommen, in seinem ferneren Wachsthume von ihm aufgesogen und dadurch für Gestalt und Frucht des Baumes einflußreich werden konnten. In dem Maße als dies geschieht, werden wir das Bewußtsein über das Symbol des Rosenkreuzes sich erweitern sehen, vertiefen aber konnte es sich nach Luthers deutenden Worten nicht mehr. Denn der tiefste Quellpunkt der Versöhnung mit Welt und Natur, die jenes Symbol darstellt, ist gewiß kein andrer als das innerliche Leben mit Gott, die friedvolle innere Gottesgemeinschaft. Erst daraus, daß in solcher Gottesgemeinschaft sich auch die Schöpferliebe Gottes zu Natur und Welt in uns miterzeugt, treten uns die irdischen Lebensgüter in jenes ver­klärende Licht, in welchem wir sie genießen, lieben, pflegen dürfen, und durch das wir im Stande sind, als Christen über das ganze Mittelalter hinweg dem edeln Griechenthum wieder die Hand zu reichen, um seine Lebensformen mit dem christlichen Geiste zu erfüllen, dadurch ihren Gemüthswerth zu ver­tiefen, ihre Schönheit zu steigern, und so dem Ideal eines neuen höheren, eines christlichen Classicismus uns anzunähern.

Daß auch Luther nicht einseitig bei jenem innerlichen, göttlichen Lebens­keime der neuen Culturgestaltung stehen geblieben, dies hat er vor allen Dingen bewiesen durch die schöpferische That, die das Vorurtheil von der Heiligkeit des Cölibats für immer ausrottete und dem deutschen Gemüthe das Idealbild eines geheiligten, fröhlichen Familienlebens einpflanzte, wie es uns allbekannte Lutherbilder, sei es, daß der Weihnachtsbaum oder daß die Hausmusik als verklärender Hausgeist die Familie Luthers um sich schaart, unverlierbar an's Herz gelegt haben- Aber nicht nur das Haus, auch die Gemeinde, das bürgerliche Gemeinwesen, der Staat und das gestimmte nationale Culturleben, werden erst seit der Reformation wieder zu selbständig in ihrem eignen Werthe empfundenen und gepflegten Gütern,