Das Rosenkreuz.
Physik, sehr nützlich sei, um den Ruf der Gelehrsamkeit zu erlangen". (In der Schrift „Vsri ollristiunlsini sotictusggrs pllilosopllius tidsrtus".) Daher sein Ausruf: „Lebe wohl, Reformation, denn aus dieser Erde werden wir dich
niemals sehen!" (UsniMus, clial. 47).*) Diese sogenannte Pretistische Richtung ist in Wahrheit das überleitende Glied zwischen dem echten, ursprünglichen Lutherthum Luthers und der freien religiös-sittlichen Erfassung des Christenthums Christi bei Lessing. PH. Jacob Spener, der die höchste Blüthe und Vollendung dieses Pietismus bezeichnet, hat unserem Andrea in diesem Entwickelungsfortschritte des echten Protestantismus die Stelle unmittelbar nach Luther angewiesen, indem er ausrief: „Könnte ich Jemand
zum Besten der Kirche von den Todten erwecken, es wäre Valentin Andrea!"**) Der Erfolg jener geheimnißvollen Schriften war nun freilich nicht der gewollte. Die Erfindungen einer reichen und schalkhaften Phantasie wurden für Thatsachen gehalten; man glaubte, der fabelhafte Bund des Rosenkreuzes bestehe bereits, und die Anonymität des Verfassers entfesselte die Sucht, Abenteuerliches, Schauerliches, Wunderbares, Gefahrdrohendes zu wittern. Bald warf sich der Verdacht auf Andrea als den Verfasser nicht nur der Schriften, sondern auch als das geheime Haupt des Bundes; er ward zur Zielscheibe von Verleumdungen und Verdächtigungen; die Theologen spürten nicht nur dogmatische Ketzerei, sondern, was in ihren Augen weit ärger war, eine unioniftische, auf Vereinigung der lutherischen mit der re- formirten Kirche gehende Tendenz. Das Schlimmste aber im Contrast zu Andreä's wohlgemeinten Absichten war dies, daß die Alchymisten und Schwarmgeister aller Art in seinen Schriften Nahrung und Bestätigung fanden, und daß sich auf Anregung dieser Schriften selbst gar bald neue Gesellschaften mit Bestrebungen, wie er sie hatte geißeln wollen, aufthaten; ja herumziehende Betrüger täuschten das Volk unter dem Namen „Rosenkreuzer" mit Wundercuren und allerlei Zauberwesen. Andreä konnte jetzt um so weniger sich als Verfasser bekennen; aber er tritt nun als ernster, offener Bekämpfer dessen auf, was er dort verspotten gewollt, und ebenso spricht er jetzt ohne dichterische Beiwerke sich für die Idee eines christlichen Bundes aus, wie er ihn dort gekennzeichnet, obwohl er seine Verwirklichung unter den Zeitgenossen bald als unthunlich erkannte. Hierbei kommt zu Tage, in welchem Sinne ihm das Rosenkreuz als Sinnbild des echten christlichen Lebens vorschwebt. „Wie ich also zwar die Gesellschaft der Fraternität selbst aufgebe — sagt er einmal (llurrw Ludst, x 70 ff.) — „so werde ich doch nie die wahre christliche Brüderschaft verlassen, welche unter dem Kreuze nach Rosen duftet, und sich von den Befleckungen, Verirrungen, Thorheiten und Eitelkeiten der Welt soweit als
*) Ich verdanke diese Anführungen der Schrift von H. A. Fechner über Jacob Böhme, Görlitz 1857, S. 88.
**) Das Motto zu „Johann Valentin Andreä und sein Zeitalter, dargestellt von Wilhelm Hoßbach", Berlin 1819. Diesem Buche find auch alle übrigen Mittheilungen über Andren, außer den soeben anders belegten, von mir entnommen worden.