Issue 
(1880) 40
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Rudolf Seydel in Leipzig.

Ein wunderbares Lied ist euch bereitet;

Vernehmt es gern und Jeden ruft herbei!

Durch Berg' und Thäler ist der Weg geleitet;

Hier ist der Blick beschränkt, dort wieder frei,

Und wenn der Pfad sacht' in die Büsche gleitet,

So denket nicht, daß es ein Jrrthum sei;

Wir wollen doch, wenn wir genug geklommen,

Zur rechten Zeit dem Ziele näher kommen.

Ich bediene mich zur Darlegung des Planes und Inhalts, soweit sie uns nöthig ist, der Worte der Goetheschen Erläuterung.Ein junger Ordensgeistlicher, Namens Marcus, in einer gebirgigen Gegend verirrt, trifft zuletzt im freundlichen Thal ein herrliches Gebäude an, das auf Wohnung von frommen geheimnißvollen Männern deutet. Er findet daselbst zwölf Ritter, welche nach überstandenem sturmvollem Leben endlich hier zu wohnen und Gott im Stillen zu dienen Verpflichtung übernommen. Ein dreizehnter, den sie für ihren Obern erkennen, ist eben im Begriff von ihnen zu scheiden, auf welche Art, bleibt verborgen; doch hatte er in den letzten Tagen seinen Lebenslauf zu erzählen angefangen, wovon dem neu Angekommenen eine kurze Andeutung zu Theil wird". Soweit das Fragment. In der weiteren Folge nunwürde man einen Jeden der Rittermönche in seiner Wohnung besucht und durch Anschauung klimatischer und nationaler Verschiedenheiten erfahren haben, daß die trefflichsten Männer von allen Enden der Erde sich hier versammeln mögen, wo Jeder von ihnen Gott auf seine eigenste Weise im Stillen verehre. Der mit Bruder Marcus herumwandelnde Leser oder Zuhörer wäre gewahr geworden, daß die verschiedensten Denk- und Empfindungs- Weisen, welche in dem Menschen durch Atmosphäre, Landstrich, Völkerschaft, Bedürsniß, Gewohnheit entwickelt oder ihm eingedrückt werden, sich hier am Orte in ausgezeichneten Individuen darzustellen und die Begier nach höchster Ausbildung, obgleich einzeln unvollkommen, durch Zusammenleben würdig auszusprechen berufen seien. Damit dieses aber möglich werde, haben sie sich um einen Mann versammelt, der den Namen Humanus führt; wozu sie sich nicht entschlossen hätten, ohne sämmtlich eine Aehnlichkeit, eine Annäherung zu ihm zu fühlen". Da dieser Vermittler jetzt von ihnen scheiden will, erzählt ein Jeder von ihnen einen Theil der Lebensgeschichte desselben.Hier würde sich denn gefunden haben, daß jede besondere Religion einen Moment ihrer höchsten Blüthe und Frucht erreiche, worin sie jenem obern Führer und Vermittler sich angenaht, ja sich mit ihm vollkommen vereinigt. Diese Epochen sollten in jenen zwölf Repräsentanten verkörpert und fixirt erscheinen, so daß man jede Anerkennung Gottes und der Tugend, sie zeige sich auch in noch so wunderbarer Gestalt, doch immer aller Ehren, aller Liebe würdig müßte gefunden haben. Und nun konnte nach langem Zusammenleben Humanus gar wohl von ihnen scheiden, weil sein Geist sich in ihnen Allen verkörpert, Allen angehörig, keines eigenen irdischen Gewandes mehr bedarf. Ereignet sich nun diese ganze Handlung in der Charwoche, ist das Hauptkennzeichen