7g. Band, vierzigster Jahrgang. Oktober M7—)M.
Preis vierteljährlich Z M. so. Mit Postaufschlag 3 M. 75-
StechLin.
Roman von Theodor Fontane.
(Fortsetzung.)
allem unterrichtet. Er wird Ihnen gefallen. Neue Schule, moderner Mensch; aber doch nicht zu viel davon (so wenigstens hoff' ich) und jedenfalls sehr gescheit. An seinem Namen, er heißt nämlich Moscheles,
er an dieser Brücke da so von ungefähr 'rauskuckte," fuhr Dubs- lav fort, „das war nn freilich kein Spießbürger, sondern ein Lindwurm oder so was ähnliches aus der sogenannten Zeit der Saurier, also so weit zurück, daß selbst der älteste Adel nicht gegenan kann, auch die Stechline mit ein- geschlossen; und dies Biest, als der Zug eben den Fluß passieren wollte, war mit seinem aufgesperrten Rachen bis dicht an die Menschen und die Brücke heran, und ich kann Ihnen bloß sagen, Sponholz, mir stand der Atem still, weil ich deutlich sah, nu noch einen Augenblick, dann schnappt er die ganze Bescherung weg."
„Ja,HerrvonStech- lin, da hat man bloß den Trost, daß die Saurier, so viel ich weiß, seitdem ausgestorben sind. Aber meiner Frau will ich die Geschichte doch lieber nicht erzählen; die kriegt nämlich mitunter Ohnmächten. In Doktorhäusern ist immer was los."
Dubslav nickte.
„Und nur das eine möcht' ich Ihnen noch sagen, Herr von Stech- lin, mit der Digitalis immer so weiter, und wenn der Appetit nicht wieder kommt, lieber nur zweimal täglich. Und nie inehr als Zehn Tropfen. Und wenn Sie sich unpaß fühlen, mein Stellvertreter ist pon
1898 (Bd. 79).
dürfen Sie nicht Anstoß nehmen. Er ist aus Brünn gebürtig und da heißen die meisten so."
Der Alte drückte mit allem seine Zustimmung ans, auch mit dem Namen. Schon vor fünfzig Jahren habe er Moschelessche Musikstücke spielen müssen. Aber das wolle erden Jnsichtstehenden nicht weiter entgelten lassen.
Und nach diesen beruhigenden Versicherungen empfahl sich Sponholz und fuhr zu weiteren Abschiedsbesuchen in die Grafschaft hinein.
Am zweitfolgenden Tage brachen die Spon- holzschen Eheleute von Gransee nach Pfäffers hin auf; die Frau, sehr- leidend, war schweigsam, er aber befand sich in hochgradigem Reisefieber, was sich, als sie draußen auf dem Bahnhof angelangt waren, in einer immer wachsenden Gesprächigkeit äußerte. Mehrere Freunde (meist Logenbrüder) hatten ihn bis hinaus begleitet. Sponholz kam hier alsbald vom Hundertsten aufs Tausendste. „Ja, mit unserm guten Stech- lin, mit dem steht es freilich so so... Baruch hat ihn auch gesehn und ihn verändert gefunden . . . Und Sie, Kirstein, Sie schreiben mir natürlich, wenn der junge Burmeister ein- tritt; ich weiß, er will nicht recht (bloß der Vater will) und soll sogar von Hokuspokus gesprochen haben... Aber dergleichen muß man leicht nehmen. Unwissenheit, Verkennungen. Ueber so was sind wir weg, viel Feind' viel Ehr'. Nnr der Alte drüben in Stech- lin macht mir Sorge.