Heft 
(1889) 09
Seite
145
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Erscheint Sonnabends

und ist in der Post-Zcitnngsprcislistc nnicr Nr. 1694 o eingetragen.

Berlin, den 30. November.

Abonnrinrntspreis

bei der Post oder im Buchhandel vierteljährlich 3 Mark.

1889

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Inhalt: Schneidiges Liebchen. Von Hans Hopfen (Schluß). Friedrich Nietzsche. Studie von Leo Berg. Wie wurde das wendische Norddcntschland germanisiert? Von vr. W. Fischer. In stiller Nacht. Novelle von Franz Scrvaes. Zum Fall Meißner. Von S. Heller. Zum fünfzigsten Geburtstag Ludwig Anzengrubers. Von Anton Bettclheim. Das Hamerling-Denkmal. Eine Erklärung von Erich Schmidt. Paul LindausIm Fieber." Von F. M. Kleine Kritik.

KchimölgeS Aiekchen.

Eine neue Geschichte des Majors.

Von

Hans Hopfen.

SÄt (Schluß.)

ch lehnte mit aller Ehrfurcht, aber auch mit aller Be­stimmtheit die Zumutung eines solchen unhaltbaren Versprechens von mir ab und versicherte offen und ehrlich, daß ich nur darauf bedacht sein wurde, Seraphine je früher desto lieber zu meiner Frau zu machen.

Mein Vater lächelte ein wenig und sagte achselzuckend, meine Halsstarrigkeit thüte ihm leid. Da müsse er dem Unsinn eben ans andere Weise begegnen. Ich möge mir die Folgen selbst znschreiben.

Ich war noch verblendet genug, mich bei Seraphinens Eltern besuchsweise zu melden, und thöricht genug, mich auch noch zu verwundern, als mein Besuch nicht angenommen wurde.

Alle anderen Leute empfingen den Wiedergenesenen mit um so größerer Liebenswürdigkeit. Ich merkte doch nicht ohne Selbstbehagen, daß ich seit den: Duell mit dem tapferen Refe- rendarius in den Augen der guten Gesellschaft etwas gewach­sen war. Kam ich mir doch selber seitdem um mehrere Jahre älter vor!

Älter, aber leider noch immer nicht weiser! Denn manche Stunde mitten in der Nacht bracht' ich unverschämt und un­verbesserlich in Seraphinens Garten zu, ohne die Geliebte zu Gesicht zu kriegen, ohne irgend ein Lebenszeichen von ihr zu erhalten.

Die ersten Male wagt' ich nicht ans Fenster zu klopfen. Als ich aber über vierzehn Tage nichts von ihr gesehen noch gehört hatte, übertölpelte mich die Sehnsucht, und nach etlichem erfolglosen Antippen trommelte ich ein kleines Crescendo an die vertraute Glasscheibe ihres Kammerfensters.

Die Gardine geriet in Bewegung. Mein Herz schlug doppelt so rasch vor freudiger Erwartung. Noch ein Ruck mit dem Vorhang, der ans einmal ganz hell glänzte, und von einein Licht in der Hand bestrahlt, die Schlafhaube auf dem Kopf, erschien mit zwinkernden Augen das Antlitz der Haus­frau, der Mutter Seraphinens, hinter den angelaufenen Scheiben.

Ich taumelte in die Nacht zurück, sah, zwischen den Taxus- Hecken versteckt, die spitzige lange Nase der ans dem Schlaf ge­scheuchten Matrone sich nach rechts und nach links wenden, dann den Vorhang wieder vor die Helle fallen und diese da­hinter erlöschen.

Seraphinens Thun und Lassen war also bei Nacht wie bei Tage bewacht. Man hütete sie vor mir! Man tyranni­sierte sie! Man machte jedes Wiedersehen unmöglich!

Ich machte mir auf dem Heimwege bittere Vorwürfe, der Geliebten durch meine Ungeduld und Unvorsichtigkeit schweren Tadel, ja vielleicht verschärfte Klausur verursacht zu haben, und dachte dabei doch an nichts weiter, als wie es anzufangen wäre, sie ihren und meinen Eltern zum Trotz in Bälde wieder­zusehen.

In diesem Grübeln und Planen ward ich nun allerdings schon des andern: Mittags durch ein Brieflein Seraphinens gestört, darin sie mich mit den zärtlichsten Ausdrücken beschwor, dem Überbringer ihres Schreibens unter versiegeltem Umschlag den Schlüssel zum Gartenpförtchen auszuhündigen. Ich dürfte mich und sie nicht noch einmal der Gefahr, entdeckt, beschämt und verstoßen zu werden, aussetzen, wie gestern. Ich dürfte den unseligen Schlüssel, den sie mir nie Hütte gewähren sollen, nicht eine Viertelstunde länger behalten, geschweige gar ihn noch einmal in: verhängnisvollen Schloß umdrehen. Ihr furchtbar aufgebrachter Vater würde sie zun: mindesten eigenhändig er­drosseln, wenn sie ihm nicht noch vor Nacht den Schlüssel, das Wahrzeichen unserer heimlichen Zusammenkünfte, und das allei­nige Mittel, selbe zu wiederholen, reumütig zu Füßen legte.

Anrede und Unterschrift des Briefes waren mit den über-