Heft 
(1889) 34
Seite
574
Einzelbild herunterladen

/

Seite 574.

Deutschland.

34.

-t'! - Ik'J

7 ' Hist

-kl

' >k^

4t si

-! k»l

Kurz vor der Rückkunft des Marquis war mein Eduard mit der Gesandtschaftsköchiu, als deren Bücherlieferant, mit einem Diener als Käufer von alten Livreen und mit einem der Sekretäre als Unterabschreiber (der die Arbeiten des Sekre­tärs für ein Viertel des Lohnes besorgte) gut bekannt geworden. Was mir Eduard damals zutrug, deckte sich zwar nicht immer mit den höheren Ansprüchen der Wahrheit, aber es war doch in einer Hauptsache gut beobachtet. Wenn ich dazu nehme, was ich später erfuhr, als mein Stern mich in nähere und dauernde Berührung mit dem Marquis brachte, so war seine Lage da­mals eine unbehagliche.

Seinen Titel hatte er erst mit dem Gesandtschaftsposten zusammen erhalten, seiner Mutter zuliebe, welche zu den ersten Familien seiner hochromantischen Heimat gehört. Im Grunde war der Marquis bürgerlich. Sein Staat hatte in Berlin selten oder nie wichtige Geschäfte zu erledigen; in allen Sachen von einiger Bedeutung jedoch schrieb die Mutter dem Gesandten die Meinung der leitenden Kreise, und so konnte er bei ihren Lebzeiten, wenn auch mit einiger Verspätung, immer das Rich­tige treffen. Die laufenden Kleinigkeiten besorgte sein Bureau. Nun war die Mutter vor etwa zwei Jahren gestorben und seitdem jede Beziehung zu seiner Heimat abgebrochen. Wie der Marquis glaubte, wartete seine Regierung nur auf eine große Dummheit, um ihn offiziell abzuberufen; in Wirklichkeit leitete schon sein erster Beamter die ganze kleine Gesandtschaft. Der Marquis wartete selbst, wie er mir später einmal in Nizza erzählte, mit Ungeduld auf diese große Dummheit; er mag aber durch die unsichere Lage erst soweit herunter gekommen sein, daß er durch den Spiritismus eine neue Korrespondenz mit seiner verstorbenen Mutter Herstellen wollte. Der arme Mann! Schon das Mitleid hätte mich dem glänzenden Schiffe seines Lebens zu nähern vermocht, auch wenn er nicht Marquis, und sein Charakter nicht so zartfühlend, anspruchslos und freigebig gewesen wäre.

Mein Eduard hatte nur einige Spuren von diesen Dingen erfahren, als er schon ein Miniaturbild der wichtigen seligen Mutter für einige Stunden an sich zn bringen und mir vor­zulegen verstand. Es war ein uraltes Bildchen aus ihrer Jugendzeit und stellte sie in dem Nationalkostüm ihrer Heimat in einer sehr auffallenden, leicht nachzuahmenden Haartracht dar. Wir hofften sofort, aus unseren Kenntnissen einen Vor­teil ziehen zu können; aber die Sache machte sich über alle Erwartung schnell.

Durch unfern Drucker, der die Subvention von fünfhun­dert Mark holen ging, erfuhr der Marquis von mir und mei­nen zahlreichen kleinen Streichen. Er ließ mich kommen und ich fand in ihm einen guten, schwachen Herrn, der ebenso fest an die Grundwahrheiten des Spiritismus, wie an die Ver­worfenheit aller Medien glaubte. Ich that, was, wie gesagt, in solchen Fällen das Beste ist; ich gab die meisten meiner Be­trügereien unumwunden zu, behauptete aber, trotzdem ein echtes Medium zu sein. Ich stünde mit den seligen Geistern ab und zu, etwa einmal in jedem Monat, wirklich in Verbindung, könnte aber davon nicht leben und hätte um des täglichen Brotes willen immer hundert Personen gefoppt, bevor ich eine redlich bediente. Wer die Spiritisten und die Menschen über­haupt kennt, wird sich nicht zu sehr darüber wundern, daß der Marquis auf diesen Leim ging. Er lachte vergnügt über das spiritistische Tischchen und über das Kunststück des Mr. Slade, er streichelte mir minutenlang die Hände für meine spiritistischen Kuren, er brachte meiner ehrlichen Mediumschaft alle Zweifel eines besonders schlauen Menschen entgegen, und nach vierzehn Tagen glaubte er an mich, wie an die Seele seiner Mutter. Nachdem er durch mich selbst alles wisse, sei er natürlich nicht mehr zu foppen, ich solle es ihm melden, wenn sich in mir die echte Fähigkeit rege, Geister zu Alleren. Und wenn ich ihn mit seiner seligen Mutter in Rapport setzen könnte, so wollte er es mir durch seine ewige Dankbarkeit und Neigung lohnen. Ach Gott, er war so nett!

Es muß wohl etwas Verrücktes in dem ganzen Geister­

leben sein; der Marquis, der zwei Jahre lang die Geisterpho­tographie als den tollsten Betrug verfolgt hatte, wollte jetzt als erste Probe eine Photographie seiner seligen Mutter sehen. Ich versprach, nllt Hilfe eines ebenfalls mediumistischen Photographen den Versuch zu wagen, sobald ich einmal recht in Trance wäre.

Einer unserer jungen Leute besaß einen veralteten photo­graphischen Apparat. Mit diesem Studenten, der zu den Briefen über das Rauchen die famose Schlußbemerkung von Dante gemacht hatte, verständigte ich mich.

Wir folgten in allem den Enthüllungen über die betrüge­rischen Geisterphotographieen, welche der Marquis selbst in derRundschau für beide Welten" gemacht hatte. Ich ord­nete mein immer noch schönes Haar es ist eine Verleum­dung, daß es falsche Zöpfe waren ziemlich genau nach der Haartracht des Miniaturbildes und drapierte mich im übrigen durch zwei Leintücher als Geist. So ließ ich mich unmittel­bar vor der Sitzung auf zwei Platten etwa zehn Sekunden lang abuehmen. Das eine Mal stand ich mit dem Rücken und den schönen Zöpfen zum Apparat, etwas seitwärts vor einem leeren Stuhl und segnete diesen. Das zweite Mal entfloh ich schaudernd mit voll mir gestreckten Händen, wobei man vom Apparat aus mein verlorenes Profil sehen konnte. Das pho­tographische Atelier war die Helle Dachkammer eines der Stu­denten.

Der Marquis erschien auf meine Einladung, untersuchte in der provisorischen Dunkelkammer, deren sonstige Bestimmung .ich nicht ahnen lassen darf, die Platten sehr skeptisch, fand natürlich nichts und ließ sich hierauf auf dem bereit stehenden Stuhle photographieren. Bei ihm wurden dieselben Platten drei Minuten laug exponiert.

Die Bilder sielen nicht gerade schön aus. Der Marquis schien ein Neger zu sein; aber um so wirkungsvoller hob sich von ihm die nebelhafte, weißliche, durchsichtige Gestalt ab, welche ihn auf dem ersten Bilde segnete, sich auf dein zweiten entsetzt von ihm abwandte. Der Marquis zweifelte so wenig, daß er bei dem Anblick der letzten Photographie krampfhaft zu schluch­zen begann. So unklar die Formen auch waren, so erkannte er doch hier ganz deutlich die charakteristische Haartracht, dort das Profil seiner seligen Mutter. Er versicherte auch, genau zu wissen, was die Gesten des armen Geistes bedeuteten. Er stand vor einer wichtigen Entscheidung und die Mutter hatte mit der ihrer Rasse eigenen Lebhaftigkeit seinen ersten Gedanken gut geheißen, seinen zweiten verworfen.

Er beschenkte uns reichlich, bevor er uns verließ. Dem Studenten gab er am nächsten Tage die Mittel, sich ein ordentliches Atelier eiuzurichten, und mein Eduard war der rechte Manu, die Geisterphotographie im großen Stile einzu­richten. Ich will hier gleich berichten, daß die Sache ihren guten Fortgang nahm, daß mit Hilfe von eigentümlich ange­brachten Spiegeln schließlich jeder gewünschte Geist vor, hinter oder neben der lebendigen Person erscheinen konnte und daß der Photograph und Eduard etwa dreiviertel Jahre laug die besten Geschäfte machten. Daun wurde ihm diese Carriere durch gemeinen Konkurrenzneid verdorben.

Ich habe auch nachher nicht erfahren können, welcher Art die Frage war, welche mein Marquis erledigte, als er triumphierend von dem photographischen Apparat in seine Ge­sandtschaft zurückkehrte und dort die Leitung für einige Stunden an sich riß. Er scheint aber an diesem Tage die längst erwartete große Dummheit gemacht zu haben; wenigstens wurde er schon nach einer Woche in der kränkendsten Weise behandelt und so gezwungen, über Hals und Kopf aus Gesundheitsrücksichten einen Urlaub zu nehmen und seinen Abschied einzureichen. Ich hatte das Glück, ihn nach Nizza begleiten zu dürfen, wo er sich frei und unabhängig der Vertiefung spiritistischer Erkenntnis hiu- geben wollte. Er war durch die widerfahrene Kränkung in sei­nem Wesen sehr erschüttert, glaubte fest an meine Mediumschaft und daran, daß sein Minister ein Dummkopf, der Rat seiner- seligen Mutter aber gut war.

Er behandelte mich mit einer fast beschämenden Auszeich-