Issue 
(01/01/2019) 11
Page
490
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

490

<L. Zoeller-Lionheart.

Kniedarauf kommt Alles an, wie man eine Sache anfaßt. Die Anderen thun griesgrämig Ihre Pflicht, Sie mit Freudigkeit, das fühlen die Kranken und das giebt ihnen felbst frischen Lebensmuth. Wir haben manchen Kampf zusammen dnrchstritten und, Gott sei Dank, ich bekenne es nochmals, durch Ihren wackeren Beistand manchen Sieg errungen. Da, wo wir jetzt hingehen, sind leider keine Lor­beeren mehr zu erringen. Ich möchte nur, daß Sie den Frieden, den Ihr ganzes Wesen ausathmet, da in ein Sterbezimmer tragen, in dem die schlimmen Mächte der Zwietracht gehaust haben. Es ist ein armer, verlassener alter Mann, der da unter faulen Bedienten den letzten Kampf anskämpfen soll. Eine der vielen Tragödiekomödien des Lebens, bei denen man nicht weiß, ob man die Thorheit der Menschen belächeln oder beklagen soll. Eins der vielen schlechten Rechenexempel von Jugend und Schönheit zu Alter, Stellung und Reichthum, wo sich früher oder später immer ein Bruch einstellt und das ehrvergess'ne Weib den alternden Mann im Stich zu lassen pflegt, wenn der äußere Glanz den Reiz der Neuheit für dieses eingebüßt. Sie schütteln verwundert das Haupt, Schwester Caritas. Ja, Ihre noble Natur versteht so etwas nicht und dem armen Thoren kostet auch die späte Erkenntnis; das Leben. An der Seite des Kränkelnden hielt das leichtfertige Weib es nicht länger aus und ihn rührte der Schlag, da sie auf und davon war. Da sind wir zur Stelle, bitte, folgen Sie mir."

Er gab ihr die Hand beim Anssteigen und sprang die zwei Treppen leichtfüßig wie ein Jüng­ling ihr voran.

Irgend etwas in dem Zustand verändert?" fragte er den Diener, der auf dem Corridor des Olmrnbro Zuruio-Hotels, in das er die barmherzige Schwester einließ, aus und ab promenirte. Dieser versteckte hinter dem Rücken in der hohlen Hand den qualmenden Cigarrenstummel, den er etwas beschämt aus dem Munde riß, da der Arzt ihn unerwartet ansprach.

Kaum irgend etwas, Herr Geheimrath," sprach er unterwürfig,die Gnädige muß Wind bekommen haben, daß daß es zu Ende geht und hat für gut befunden, wiederzukommen; solche Art sind wie die Aasgeier. Excellenz haben aber so gebieterisch mit dem ausgestreckten Arm zur Thür gewiesen und so grauenhafte Augen dabei gemacht, daß sie

nicht gewagt haben.Sie zuckten die Achseln

und gingen und."

Schon gut," schnitt der Arzt voll Ekel ab und behutsam zog er die Thür zu einem der in langer Vorderreihe hinlaufenden Zimmer längs des Corridors aus.

Es war eines jener Erkerzimmer, in denen Alles grelles Licht ist. Die abgenützten rothen

Plüschmöbel sahen darin noch verblaßter aus, die kahlgewordeneu Stellen des abgetretenen Brüsseler Teppichs erschienen in grausamer Deutlichkeit, und die Chromos an den Wänden ließen ihre indigo­blauen Wasserfälle, giftgrünen Waldpartien, weiden­den Kühe und wassertriefenden Mühlräder in schreiender Farbenpracht leuchten. Aus den ver­staubten trübglasigen Prismen des Kronleuchters versuchte die Mittagssonne einige bunte Streiflichter zu locken, im Erker neigte eine vernachlässigte Palmengruppe krank und müde die breiten ver­gilbten Fächerblätter dem fadenscheinigen Teppich zu. Ueber dem uugelüfteten Raum schwebten schwüle schwere Parfüms und hemmten den freien Athem. Durch die dünnen Weißen Scheibengardinen siel ungedämpft das grelle mitleidslose Tageslicht auf das Paradestück dieses Obninbro Anrnio - Salons, ein breites französisches Bett, auf dem die leichen­starre Gestalt eines Greises mit wallendem Silber­bart und todtenstarren weitoffenen Pupillen aus­gestreckt war. Die starren Angen waren in un­heimlicher Regungslosigkeit der Thür zugekehrt.

Ein seltsam beklemmendes Vorgefühl hatte sich auf die Brust der frommen Schwester gelegt bei dem Wechselgespräch im Corridor, ein banges Ahnen, ein Schwanken zwischen freudiger und schlimmer Erwartung. Ihr Herz schlug zum Zerspringen, als nun der Arzt die Thüre leise aufthat. Ein Blick und es stand still vor ungeheurem Schrecken. Die beiden Arme hoben sich unwillkürlich sanken schlaff herab. Den Schrei, der auf den Lippen bebte, hielt die eisernste Selbstbeherrschung zurück, die eiserne Selbstbeherrschung hielt sie auch aufrecht, ließ sie vorwärts gleiten bis an den Erker, und die dunkelbraunen schweren Wollvorhänge aus den Hafteln lösen, daß mit den zusammenschlagenden Falten weiches Dämmerlicht sich über das Kranken­zimmer breitete, dann trat sie hinter die Vorhänge in den Erker ein, der von den; übrigen Raum nun einen abgetrenuten Winkel bildete, öffnete eines der Fenster und ließ die frische reine Winterluft ein paar Minuten frei hineinfluthen. Die Stirn hielt sie fest dabei au die Scheiben gepreßt und beide durchsichtig weißen Hände auf das wildhümmernde Herz.

Als sie zurücktrat in das Gemach und zögernd hinter dem Haupt des Kranken an die Seite des Arztes, der den Puls seines Patienten inzwischen aufmerksam geprüft, hätte nur ein sehr aufmerk­samer Beobachter den stillen Frieden des wunder­schönen Frauengesichts durch überstandene Seelen­kämpfe getrübt gesehen. Verschleiernd lagen die dunklen Wimpern über den beredten Augen, dankend neigte sie das Haupt, als der Geheimrath ihr seine Zufriedenheit mit den stillschweigenden Verände­rungen zu erkennen gab. Zu sprechen getraute