Die Jubiläums-Kunstausstellung in Berlin
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Schadow mit Meisterwerken vertreten — wahrlich eine Versammlung von Meistern und eine Vereinigung von Werken, wie sie der staunenden Welt so leicht nicht wieder gezeigt werden wird.-
Merkwürdig, wie das Publikum, auch das nicht kunstverständige, das hier so gut, wie wo anders, die Majorität bildet, den strengen, ehrfurchtgebietenden Geist dieser historischen Abtheilung auf sich wirken läßt! Hier verstummen die lauten Gespräche und die kaustischen Witze des Berliner Spießbürgers, der mit „Muttern" am Sonntag- Nachmittage „mang die Kunst for vier Jute" gegangen ist. Die Leute gehen schweigsam und andächtig, wie in einer Kirche, von Bild zu Bild, von Werk zu Werk, und nur zuletzt, wenn sie in der Schlußrotunde angekommen sind und vor dem Standbilde des großen Königs an der Kühlung spendenden Fontaine sich ausruhen, ringt es sich wie ein erleichternder Seufzer von Mutters Lippen: „Sieh mal, Aujnst, det is der olle Fritze — der is och da." Es ist als ob sie sich freute, unter so vielen Unbekannten auch einen alten Bekannten zu finden. — Desto ungenirter geht es in den modernen Sälen zu. Männleiu und Weiblein ziehen paarweise von Bild zu Bild und tauschen mit der dem Berliner eigen- thümlichen Unverfrorenheit ihre oft höchst ungeschminkten Kunsturtheile aus. Man muß gestehen, es ist manches Körnlein goldenen Mutterwitzes darunter und manches Urtheil, das von des Lebens
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Kein Entrinnen. Sculptur von M. Klein.