Die Schlösser König Ludwig's II.
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machte Garten und Schloß beim Publikum förmlich verhaßt; denn die guten Münchener sahen sich vieler alter, herzlicher Gewohnheiten und Gepflogenheiten beraubt und es ist leider nicht mehr zu leugnen, daß man bei derAbgeschlosfeuheit und den sonderbaren Einrichtungen und Lebeusgewohnheiten des Königs zuletzt nicht mehr eine kindliche Anbetung, sondern eine knechtische Furcht empfunden. Diese ist jetzt vorbei, das Volk fühlt sich wie von einein unheimlichen Druck befreit, alle Gärten und Schlösser öffnen sich dem Publikum, man braucht nicht mehr zaghaft auszutreten, um den finsteren und umheimlichen Augen des strafendeil Monarchen zu entgehen. Bald nach der Aufhebung der fürstlichen Verlobung fpielte sich in Schloß Berg eine Scene ab, welche viel von sich reden machte. Der junge Monarch hatte damals eine schwärmerische Zuneigung zu der Kaiserin von Rußland gefaßt, die er in Kissingen keimen gelernt hatte, einer Dame, die zu jener Zeit noch jugendliche Reize hatte, aber den Jahren nach des Königs Mutter hätte sein können.
Man sprach allgemein von Heiratsprvjekten zwischen den Höfen von Petersburg und München, man verkaufte iu den Kunsthandlungen das liebliche Porträt der kaiserlichen Tochter, der jetzigen Herzogin von Ediuburg und der König Ludwig, welcher die Kaiserin zum Besuch auf Schloß Berg eingeladen, ließ mit Zaubergewalt die Räume des Tus- culums in ein Feenreich umwaudeln, Orangenbäume standen auf allen Treppen und Gängen, ein Hain von Cypressen und Myrthen war der Hof und der Vorgarten geworden, die Kaiserin kam und wandelte thatsächlich Schritt für Schritt bis zu ihren Gemächern ans frischen Blumen der lieblichsten und seltensten Art. Das ganze Schloß war zur alleinigen Benutzung der Kaiserin hergerichtet, während der König Junggeselle eine benachbarte Beamten- wohnung als eigene Behausung interimistisch bezog. Es müssen sehr schöne Stunden gewesen sein, welche die Kaiserin hier im Gedanken an den zukünftigen lieblichen Wohnsitz ihrer Tochter verträumt hat, doch sollte es nicht dahin kommen, der Wunsch der Nnterthanen blieb unerfüllt, des Königs Umgebung und die Diplomatie hatten die Rechnung ohne den Wirth gemacht und das kam so: Die Kaiserin sah sich hier auf Schritt und Tritt wie eine Kleopatra vergöttert, die auserlesensten und finnigsten Ueberra- schungen, wie man sie der verwöhntesten Fürstin nicht besser hätte bieten können, wurden ihr zu Theil und der König übertraf sich selbst in Liebenswürdigkeiten und Aufmerksamkeiten. Da in einer Stunde, sagt der Volksmund, als die Kaiserin den Moment der thatsächlichen Werbung um ihre Tochter gekommen glaubte, stürzte sich der Monarch schwärmerisch wie ein Don Carlos der Kaiserin zu Füßen und, ihr eine brünstige Erklärung machend,
stammelte und flehte er um Liebe. In früher Morgenstunde reiste die Kaiserin ab und ihre Tochter heirathete bald daraus den Herzog von Edinburg. Die blumenüberschüttete Altane, ans der diese Scene vor sich ging, war in den Tageil vor der jüngsten Katastrophe verrammelt, die Fenster mit dem beglückenden Ausblick auf den lieblichen See sollten vergittert werden und man hatte den König bereits verständigt, daß er wegen dieser vorzunehmenden »Reparaturen« wiederum in jenem Diensthäuschen wohnen würde, das er zu jener Zeit des Aufenthaltes der russischen Kaiserin bewohnt hatte.
Der Wagnercultus, der beim Könige zu einem wahren Götzendienst herabgesunken war, hat auch in Schloß Berg seine prunkvollen Altäre gefunden. Während das an und für sich nicht große Gebäude unter Köllig Max einer einfachen herrschaftlichen Villa glich, deren innere Ausstattung sich nicht besonders vor den übrigen Villen am See auszeichnete, ließ der König Ludwig auch hier zahlreiche, zum Theil sehr gute Wandgemälde Wagner'scher Opernscenen anbringen, dazugesellt finden sich die Hauptpersonen der einzelnen Dramen plastisch verkörpert, von denen besonders die Statue des „Fliegenden Holländers" als ein Meisterwerk der Kunst zu bezeichnen ist.
König Ludwig brachte bei seinem Regierungsantritt einen wirklichen Kindersinn mit, man meint, daß seine Jünglingstugend noch unberührt wie Blüthenstaub und frischgefallener Märzenschnee gewesen, er hatte noch Sinn für Knabenspiele und Scherze; mit den frischen tyroler und bayerischen Bauernburschen, die ihm zur Zither ihre drolligsten Schnadahüpfeln vortrugen und mit denen er bei Kirchweihfesten und anderen Gelegeilheiteil in aller Heimlichkeit Spiele im Freien arrangiren ließ, konnte er sich stundenlang vergnügen oder ihren Spielen doch wenigstens zuschauen. Als täglichen Freund und Spielgefährten erkor er sich zunächst den jungen Prinzeil Paul von Thurn und Taxis, der mit seiner brennenden Neigung fürs Theater und mit deklamatorischem Talent begabt, den König durch allerlei Kurzweil, wie sie ernste und gereiste Männer nicht, am wenigsten aber Könige treiben, zu unterhalten wußte. Besagter Prinz Paul, ein hübscher Junge von 18 Jahren, mußte sich als Lohengrin verkleideil und Abends auf dem See in einer schwankenden Nußschale von Fahrzeug im Mondenschein von Schwänen gezogen und unter Absingung des Schwanenliedes mit Musikbegleitung auf- und abfahren. Einmal schwankte das Schifflein und Lohengrin lag mit feiner glänzenden Rüstung zum großen Jubel der Zuschauer im Wasser. Damals besuchte der König in Begleitung des Prinzen Paul häufig das Volkstheater am Gärtnerplatz, weil der Prinz sterblich in eine schmucke schwarzhaarige