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(01/01/2019) 11
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Die Schlosser König Lndwig's 1l.

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Das Geheimnis vom Linderhof, unter diesem Titel wird ohne Zweifel später einmal ein Roman erscheinen, der alles bringt, was die Phantasie zu erschüttern und zn erfreuen vermag, nur kein Ge­heimnis;. Der Linderhos ist ein Geheimnis;, aber er hat keines. Damit ist alles gesagt und wider­legt, was die Phantasie des Volkes in silbernen, goldenen und blutigen Fäden gesponnen. Man er­zählt von dem idyllischen Försterhause im Gras­wangthal, wo der König auf seinen nächtlichen Ausfahrten von Hohenschwangau gerne abgestiegen, um sich an einem derben, schmackhaften Beefsteak und gutem Getränk zu laben, dabei habe er der lieben, holden Försterstochter, einem bildsauberen, liebenswürdigen Mädchen viel Angenehmes gesagt und zuletzt sei er jede Nacht gekommen, um regel­mäßig seine nächtliche Mahlzeit einzunehmen. Ge­bannt durch einen lieblichen Zauber habe er das überaus duftige, waldesgrüne Wiesenthal mit seinen mächtigen Ahorn und Blntbuchen lieb gewonnen und den schnellen Entschluß gefaßt, in der Nähe des Försterhanses ein Schloß zu bauen nach dem Muster von Klein Trianvn. Hinter Bäumen lauschig versteckt war schnell ein Platz gefunden und den Ban ebenso schnell zu fördern, wie die Pläne er­sonnen, war das hastige Bestreben des Königs, der schon für innere Einrichtung und Ausschmückung sorgte, als der Ban noch kaum unter Dach war. Dazu gesellte sich schnell eine Parkanlage, welche in ihrem Schattenreiche allerlei sinnliche Abwechse­lungen und architektonische Pikanterien und Bi­zarrerien entfaltete. Den Großmogul von Delhi, der auf seinen Prachtbau von Gold ans schwarzem Marmorgrnnde in schweren silbernen Lettern die stolze Inschrift setzte:Giebt es ein Paradies ans

Erden, so ist es hier, so ist es hier, so ist es hier!"- wollte der König Lügen strafen. Von einem Hügel herab grüßt zunächst ein Kiosk mit vergoldetem Dach glänzend und blitzend ins Thal. Die Pforte öffnet sich, man ist wie geblendet, eine Menge kunst­voll und prismatisch angebrachter Spiegel scheinen den Raum zehnfach zn vergrößern, alles strahlt in bunten Farben und in der Mitte des Rundbaues steht ein Riesenpsan in schillernder Pracht, sein kostbares aus Edelsteinen, Türkisen und Smaragden glänzendes Gefieder spreizend. Terrassenförmig führt der Weg von hier aus zum Monopteros, die Bewohnerin dieses Tempels ist nicht etwa die leibhaftig schöne Försterstochter, sondern ihr Eben­bild, eine aus carrarischem Marmor meisterhaft und in herrlicher Formvollendung gebildete Venus, sie schaut hinab in ein Bassin mit springenden Wassern und Kaskaden. Weiter hinein in der Waldeinsam­keit liegt das Marokkoschlößchen ganz im marok­kanischen Styl erbaut, die Fenster sind aus farbigem Glase, die Möbel mit morFenlündisch schreiend bunten

und doch harmonischen Farben überzogen. In den vielen lauschigen Nischen herrscht ein eigentümlich sinnbestrickendes Licht. Um das Leben dieses Rau­mes zu vervollständigen, mußten hier die Lieblings- sclaven des Königs in orientalischen Gewändern ihre Tschibnks und Nargilehs rauchen, Sorbet und Kaffee schlürfen und orientalische Sitten imitiren. Noch weiter im Walde steht aus eingerammten Pfählen und unbehauenen borkigen Stämmen die Hundingshütte aus deren Dach eine mächtige Esche gewachsen. Im Stamme selbst steckt das Wälsung- schwertNothung", von dem es im Wagnerschen Textbuche heißt:bis zum Heft haftet es d'rin, die Stärksten schon zogen am Stahl, keinen Zoll entwich es dem Stamm". Vor Jahresfrist ging die Hundingshütte nächtlicher Weile in Flammen auf, doch der König ließ sie sofort neu erbauen; ob jenes junge Mädchen, welches hier dem Könige zu Liebe die Sieglinde spielte, das Feuer angelegt, ist unerwiesen.

Die Imitation einer altgermanischen Behausung ist übrigens mit dieser Hundingshütte überaus glück­lich gelöst, derb und roh gezimmerte Thüren führen in das Innere, von dessen Wänden uns altdeutsche Waffen, ein Schlachtenschwert, Wurfbeil, Speer, Schild, Trophäen aller Art, Elen- und Bisamköpfe entgegenstarren, ein Kienspahn dient als Leuchter, Wärme spendet ein Heerd aus rauhen Steinblöcken, über dem ein großer Kessel hängt, auch an Bären­fellen und Trinkhörnern fehlt es nicht und aus einem mit Moos und Wnrzelwerk behafteten Holz­brunnen quillt das Trinkwasser in den aus einem Baumstamm gehöhlten Trog. Als Gegensatz zu dieser heidnischen Cultur birgt das nahe Waldes­dickicht eine kleine Eremitenklause mit einem Thurm­glöckchen. aber sonst aus demselben urwüchsigen Material erbaut. Eine wohleingerichtete Sennhütte und ein als Jägerhäuschen gedachter Hubertuspavillon mit schönen Plafondgemälden, welcher aber unvoll­endet geblieben, bilden der; Schluß dieser den Linderhof umgebenden Nebenbauten. Es war noch ein chine­sisches Haus projectirt, Platz, Pläne und Decorationen, so wie eine Unzahl höchst origineller Einrichtungs­stücke waren schon vorhanden, doch der Tod des Königs hat dieses bunte und bizarre Project ver­eitelt. Bevor wir jetzt zur Schilderung des eigent­lichen Linderhosschlosses übergehen können, lenken wir noch unsere Schritte zu einen; Geheimniß, welches keineswegs, wie man ansgesagt, gewisse düstere unauf­geklärte Räthsel birgt, sondern viel eher geeignet ist, die Sinne freudig zu stimmen und überraschend zu blenden. Wir stehen auf einer Anhöhe vor einer- mächtigen etwas zerklüfteten Felswand, die sich plötzlich wie der Berg von Hameln aufthut, in welchen der Rattenfänger die Kinder hineinführte. Wir treten ein, der Felsen schließt sich wieder durch

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