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Die Schlösser König Ludwig's II.
einen geheimnißvollen Mechanismus. Was wir jetzt erblicken ist Blendwerk, Zauberei, wie sie ein Ammenmärchen gebiert von unterirdischen Gnomen und verhexten Prinzen. Wir befinden uns in der Grotte von Capri, welche der König künstlich nachbilden ließ, nur mit der Variation, daß sie hier nicht blos blau, sondern auf Druck an einer Feder nacheinander in allen beliebigen Farben spielt. Der Schauspieler K., welcher sich der besonderen Huld des Königs kurze Zeit zu erfreuen hatte, schilderte diese mit allen Wundern der Farbenphysik inscenirte Grotte: das Innere derselben flimmerte und flackerte und leuchtete wie ein einziger gigantischer, geschlissener Saphir, dessen zitterndes Licht über den kantigen Raum fluthete; sich in die Crevassen der kleinen Grottenecken einsenkte und schleierhaft magisch über dem Ganzen lag. Wie ein mächtiger steinerner Dom wölbte es sich über seinem Haupte und — das Innere des Venusberges lag vor ihm. Hinter einem Felsvorsprung wurde plötzlich ein spiegelklarer, blau übergossener See sichtbar, auf dessen Fläche zwei schneeige Schwäne sich wiegten und an diesem See stand einsam und still wie in Gedanken verloren die hohe Gestalt des Königs, nachlässig den Schwänen Brodstückchen zuwerfend, an seinem Hute trug er eine saphirblauglänzende Brillantagrasfe. Unter der freundlichen Herzlichkeit seines Händedrucks verschwand jedes bange Gefühl der Beklommenheit von der Seele des Mimen, den der König dann über einen im Zickzack sich windenden Weg eine kleine Grottenanhöhe hinan führte, woselbst in einer silbernen Muschel von Menschengröße ein Muscheltisch mit Muschelstühlen und Korallenfüßen stand. Hier wurde das nächtliche Souper aufgetragen; zur Linken wälzte sich in einiger Entfernung ein mächtiger Wassersall über Felsen rauschend in den kleinen See hinab. Die Grotte wurde auf gegebene Signale des Königs allviertelstündlich anders beleuchtet, sodaß sich Wechselbilder von roth, gold, grün und blau gestalteten. Unter anregenden Kunstgesprächen verging die Zeit und vier Uhr Morgens betrat man wieder das Tageslicht. Frische würzige Morgenluft verscheuchte den eben wachend geträumten Traum im Feenreich. Als der König in späteren Jahren einem höheren Grade von Irrsinn verfiel, befahl er die wirkliche blaue Grotte von Capri zu holen und hier ebenfalls aufzustellen.
„Versailles im Chiemsee" betitelt sich im Volkesmund das architektonische Weltwunder, welches sich aus den Fluthen des größten unserer bayerischen Bergseen erhebt. Während Schloß Berg jetzt sonntäglich von den neugierigen Münchenern, nach Tausenden zählend, besucht wird (wo die vielen Parkbesucher jene Gartenbank, auf welcher der König zuletzt mit vr. Gudden gesessen, in Stücke zerschnitten haben, um sich ein wunderthätiges An
denken mitzunehmen), liegt dieses französische Schloß noch etwas vereinsamt, weil die Reise dorthin und die Besichtigung noch etwas erschwert sind.
Zwei Stunden von München ans der Bahnstrecke nach Salzburg bevor man nach dem idyllischen Traunstein gelangt, hält der Bahnzug an dem lieben und schönen Sommerfrischort Prien. Blau und augeerquickend lacht uns die mächtige und zugleich größte Binnenwasserfläche des deutschen Reiches entgegen, befahren von kleinen Dampfern und zahlreichen Fischerbooten die unseren Künstlern eine so liebe Staffage für ihre nach Hunderten gemalten Chiemseebilder abgeben. Dort ans der Fraueninsel mitten im See mit dem altehrwürdigen Frauenkloster, dessen Glocken das Metten- und Horagelänte noch heute nach vielen hundert Jahren wie einst über den See erklingen lassen und wo die schöne Nonne Irmengard, das Königskind, seit Hunderten von Jahren in der Klosterkirche bestattet liegt, da rastet in schöner Svmmerferienzeit ein munteres Völklein mit Weib und Kind und Ingesinde; es sind die Münchener Maler, die hier stets gern gesehene Gäste sind. Fröhliches Lachen und Singsang, Tanz und lauter Jugendfrohsinn trägt hier seine Schallwellen über den weiten See und dringt Wohl auch in stillen Nächten weit hinüber bis ans nächste Ufer, bis zur Herreninsel. Auf dieser stand früher (und daher der Name im Gegensätze zur Fraueninsel) ein Herrenkloster, dessen Bewohner aber lange, lange ausgezogen. Verwegene Speculanten wollten die Insel wegen ihres Holzreichthumes ankaufen und Floßholz fällen; aber König Ludwig legte sich ins Mittel, ließ die Waldvegetation schonen, indem er die ganze Insel aus seinem damals noch reichen Geldbeutel käuflich bezahlte. So rings von tosenden Bergseesluthen umgeben, fand der König eine neue für die Einsamkeit geeignete Scholle um ein Einsiedlerschloß für sich und seine nächtlichen Spuk- und Truggestalten zu bauen. Die Befehle dazu waren diesmal leichter und schneller auszuführen als bei anderen Schloß- banten, der König verschaffte sich die Pläne des Versailler Schlosses und aus Courierzügen sausten die Architekten, Maler, Gelverbsleute zwischen München und Paris einher, um möglichst schnell in sklavischer Nachbildung ein neues Versailles, bis in's kleinste Detail wiedergegeben, auf Herrenchiemsee entstehen zu lassen. König Ludwig hatte von seinem Halbgott Louis XIV. unter andern die Eigenschaft angenommen, unüberwindliche Natur- Hemmnisse zu beseitigen. Louis XIV. ließ Berge versetzen und tyrannisirte die Natur; was damals nur durch Kärner geschehen konnte, König Ludwig machte es sich leichter, indem er, um sich eine entsprechende Allssicht zu schaffen, einen unschönen Anblick zu entfernen, Dynamit centnerweise springen