Die Schlösser König Ludwig's II.
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ließ um Unerreichbares erreichbar zu gestalten. So wurde das Ufer der Herreuinsel bis zur Terrasse abgebrochen um das Wasser näher am Schlosse zu haben, so daß man von der Treppe gleich in den Kahn steigen kann; sonst aber ist hier alles genau wie in Versailles. Zunächst erblicken wir auch hier die große Wunderfontäne mit der Götterfabel von Latona und den Fröschen; die lytischen Bauern, welche der Latona einen Trunk Wassers verweigert hatten, wurden bekanntlich zur Strafe in Frösche verwandelt. Mail sieht also ans den Stufen des Marmorbeckens allerlei wunderliches, vergoldetes Wassergethier: Ganz- und Halbfrösche, Schildkröten w., die ihr Wasser auf die Kinder Latvna's, Apollo und Diana, ausspeieu. Weiter die selavisch imi- tirten großen Wasserbehälter mit den sämmtlichen Repräsentanten der ganzen mythologischen Wasserwelt.
Aeußere Architektur des Schlosses und dessen lauge Flucht von Sälen und Zimmern ist genau wie in Versailles, nur in Einem unterscheidet es sich: Herreu-Chiemsce ist prunkvoller und hat in seinem ornamentalen Gewände den Reiz des Neuen. Aber auch die Ungeduld und Hast des Königs ist hier in Allem erkennbar, er konnte nicht warten; einmal stieg diese Ungeduld zu einer so rasenden Hohe empor, daß er befahl bis zu seinem nächsten Besuche in wenigen Wochen eine künstliche Allee aus wurzellosen Fichten in das Erdreich interimistisch einznstecken, um ihm den Eindruck zu vergegenwärtigen, auch imitirte Mnrmorstatnen aus bemaltem Ton waren zur Täuschung ausgestellt worden. Letztere schlug der König, die Täuschung bemerkend, wnthend mit seinem Stock in Trümmer.
Die in tiefster Verständniß deutscher Sage und Dichtung wurzelnden Gedanken, aus denen sich die erste Unternehmung des Königs, der Riesenbau von Schwanstein herausentwickelte, waren zurückgedrängt und jene krankhafte Neigung und Schwärmerei für die beiden französischen Könige erfaßte die Seele Ludwigs derartig, daß selbst das französische Ro- cocoschloß Linderhos ihm nicht mehr genügte, er wollte den Rieseneffeet von Versailles, vor Allem mußten die Riesenfenster der berühmten „Spiegel- gallerie" zu dem großen Parterre herableuchten, von dein man durch drei große goldene Gitterthore das Schloß betritt. Reiches Stückwerk, Bilder und Medaillons unterbrechen die Feusterflucht, oben krönen Statuen die flache Gallerie. Wir fanden mehr ausgebaut als wir erwartet und vermnthet, statt nur einiger Zimmer, die wir im Gebrauch des Königs dachten, war es eine lange Reihe von Sälen, die alle bis anfs Kleinste fertig, die mit ihrem Schmuck und Kostbarkeiten jeder Beschreibung spotten, auch würden wir räumlich hier mit einer detaillirten Beschreibung der einzelnen sinnverwirrenden Gegenstände nicht zu Ende kommen, aber
das muß hervorgehoben werden, daß bei aller Verschwendung und Ueberhastung, nichts den Eindruck des Unkünstlerischen und Unschönen hervorruft. Zuerst kann man sich kaum in die Fülle von Glanz, Farbe, Licht und Schönheit finden; herrliche Wandgemälde, zu welchen Piloty, Schwoiser, Benczur u. A. den Pinsel geliehen, Allegorien und mythologische Scenen erfreuen unser Auge, prachtvolle bunte Marmorsäulen tragen die Gallerie, zaghaft steigt der Fuß ans weißen teppichbelegten Marmor- stufeu empor, kerzenbesteckte, blitzende Bergkrystall- Lüster hängen vom reich bemalten Plafond herab. Man betritt die »Kalls äs8 Aaräs8«, dann das historische Vorzimmer, welches nach der Form eines Lugfensters, das bekannte »Osil äs Losuk« genannt, als Wartezimmer für die zum Lever des französischen Königs befohlenen Hosherren diente und ans dessen Wänden jene kleine und große Ollroni<gu6 86anäal6U86 in späteren Memoiren re- sultirte. Auch für König Ludwig gab es solche Levers, jedoch nur in seiner Tranmphantasie, mit welcher er die längst vermoderten historischen Persönlichkeiten jener Zeit vor seinen Blicken erscheinen ließ. Hieran stößt die »Kalla äs paraäs« mit dem großen Luxusparadebett, wie wir es aus Schwanstein und Linderhof zwar feenhaft aber so schön doch nicht gesehen. König Ludwig hatte dieses Bett für seinen „allermächtigsten und allerchristlichsten" König von Frankreich hier aufstellen lassen, und während er selbst die wenigen Tage, welche er überhaupt in diesem Luxusschlosse zugebracht, in einem anstoßenden Prunkgemach schlief, wähnte er dieses Paradebett von seinem hohen französischen Gaste besetzt, welches im Halbrund von einem goldenen Gitter umschlossen, von einer schweren mit Goldbrokat überlasteten Decke umhüllt ist; aus dem Toilettetisch stehen die kostbarsten Gefäße, ein kunstvoller Betschemel erfüllt scheinbar die religiöse Pflicht, natürlich fügen sich alle Vorhänge, Polstersitze vom schwersten Damast und dichtester Seide und die stannenswerthesten Stickereien harmonisch dem Ganzen an. Hunderttausende von Mark sind hier in nutzloses Prunkwerk umgeprägt, Niemand wird jemals in diesem Bette schlafen noch überhaupt hier wohnen. In Wohn-, Arbeits- und Speisezimmer stoßen wir auch hier wieder auf jenen rafsinirt ersonnenen Luxus, der sich nicht mit dem denkbar Schönsten begnügt, was andere Schlösser im Detail aufznweisen haben, sondern großartig und ornamental allen Extravaganzen bis zur Sinnerstarrung huldigt. Besonders machen sich hier Sevres- und Meißener Porzellan, herrliche Uhren und Majoliken breit, dazu gesellt sich über dem Eßtisch des Königs ein gewaltiger Lüster aus Meißener Porzellan von ganz überwältigender Kunst- schöuheit. Der Eßtisch steht auf verschiebbarem