Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
Seite
XXXIX
Einzelbild herunterladen

Geſchichtliche Einleitung. XXXIX

dem Herbeiſchaffen der Rüdersdorfer Kalkſteine, ferner von dem Verkauf eines Häuschens in der Beginenſtraße, demPipenbrun auf dem Markt und der Zeiger glocke auf dem Rathauſe. Simon Roter , Stadtſchreiber der Altſtadt, berichtet über den Bau einer neuen Orgel, über den Glockengießer Meiſter Jacob, ſowie über das Abweißen der Munche⸗-Kirche. Vielfach ergeben auch die Schoßregiſter, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einſetzen, wichtige Daten. So wird in dem Schoßregiſter von 1607 die Geſamtzahl der Häuſer der Altſtadt auf 402 angegeben.

Die Ratsfähigkeit war auf einen engen Kreis von Familien beſchränkt. Die Vetternwirtſchaft wurde zu einem Hauptübel, und vielfache Klagen ertönten über die Mißbräuche bei der Verwaltung der altſtädtiſchen Mühlen ſowie über die Eingriffe derRatsperſonen in Fiſcherei und Holzung. In jeder Stadt gab es außer den Stadt­ſchreibern je zwei regierende Bürgermeiſter und achtRatsverwandte, darunter waren ein Kellerherr, Bauherr, Ziegel- und Mühlenherr. Das Recht der freien Ratswahl, das die Städte noch bis zum Anfange des 17. Jahrhunderts behaupteten, wurde am 20. März 16419 durch eine kurfürſtliche Verordnung beſeitigt.

Die wirtſchaftlichen Verhältniſſe waren noch bis in die Zeit der Reformation leidlich, denn der beſonders privilegierte Salzhandel mit Lüneburg brachte recht viel ein, und auch für die märkiſche Tuchinduſtrie war Brandenburg ein Mittelpunkt: die Tuchmacherzünfte zählten mehr als 200 Meiſter, und aus allen Teilen Deutſchlands zogen tüchtige Geſellen herbei. Doch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts drangen über Hamburg engliſche Erzeugniſſe, beſonders Tuche ein, und bald ver mochte das Brandenburgiſche Tuch den Wettbewerb mit demLundeſchen nicht auszuhalten, weshalb unter denGravamina der Städte bei der Huldigung für den neuen Kurfürſten Joachim Friedrich 1598 die Forderung auftrat, das Land möge an Wolle geſchloſſen werden.)

Der Dreißigjährige Krieg.

Noch im Jahre 1622 pries Gottfried von Warnſtedt in ſeinem Encomium Marchiae ähnlich wie es zwei Menſchenalter vor ihm bereits Georg Sabinus getan hatte, den Dom mit dem Grabmal Albrechts des Bären, den Roland,das untrüg­liche Zeichen der Immunität, und endlich dasnach Art einer Burg erbaute Gymnaſium Salderianum(arcis formam repraesentat). Doch gerade als dieſes Lob lied gedruckt wurde, begann die ſchlimmſte Leidenszeit, und es zeigte ſich, daß trotz aller Muſterungen) die Bürgerſchaft nicht mehr den raſch entſchloſſenen Sinn, die Luſt zum kräftigen Zugreifen beſaß wie einſt im 14. Jahrhundert, um ſo mehr, als die Stadt­mauern an vielen Stellen verfallen waren. Schon 1621 wurden in beiden Städten ſog. Kippermünzen aus reinem Kupfer geſchlagen.) Das Jahr 1626 war beſonders

) Vgl. für den geſamten Abſchnitt: Stadtarchiv, Cod. A. 32. 33. Geh. Staatsarchiv, Rep. 21,9 und 11; vgl. ferner Ehrenberg, Hamburg und England im Zeitalter der Eliſabeth, 1896, S. 9of.

Muſterung von 1610, Geh. Staatsarchip, Rep. 78. I, Nr. 52.

) Vgl. Bahrfeld, Die Brandenb. Städtemünzen aus der Kipperzeit(1882), S. 11.