Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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Geſchichtliche Einleitung. XLI

Stockfiſch, friſche Fiſche und Fleiſch. Im ſelben Jahre verlangte der ſchwediſche Feldherr Torſtenſon , daß ihm für den Durchmarſch durch die Stadt von Berlin aus Lebensmittel geliefert würden: die Neuſtadt ſelbſt ſollte 15000 Pfund Brot und 25 Tonnen Bier geben. Das Jahr 1643 brachte endlich Waffenruhe.

Der junge Kurfürſt, der im Sommer 1643 als Gaſt des Kapitels in Brandenburg weilte, ſchuf bald Wandel. Denn ſtatt 3000 Einwohner im Jahre 1643 waren es 1645 wieder etwa 4000, immerhin noch eine geringe Zahl gegenüber dem alten Stande von etwa 10000. Auch die Altſtadt hatte bereits wieder 129 Bürger⸗ und 23 Kietzerhäuſer in wohnlichem Zuſtande aufzuweiſen. Im Dombezirke zählte man 1642 auf dem kleinen Kietz 14 wüſte und nur 3 beſetzte, auf dem großen Kietz 4 wüſte und 18 beſetzte Stellen. Kein Haus iſt erhalten, das aus der Kriegszeit und den Tagen des Großen Kurfürſten ſtammt. Die alten Geſchlechter, von denen die Urkunden berichten und die unmittelbar von den Markgrafen Gerechtſame zu Lehn trugen, die Bardeleben, Dorſtedt, Rauch, Schulenburg, Schuler, Storbeck, Trebaw, h waren in den Stürmen des Krieges zugrunde gegangen. Die älteſten Familien der

Stadt, z. B. die Blell, können nur auf eine etwa 200 jährige Vergangenheit

zurückblicken! Der Große Kurfürſt.

Unter dem Großen Kurfürſten wurde entſprechend dem Charakter der abſoluten Regierungsweiſe, wie ſie ſich, ſeitdem der allgemeine Landtag der Mark 1653 auseinandergegangen war, einbürgerte, die Zentralgewalt mit dem Sitz in den beiden Spreeſtädten der Punkt, von dem aus Alt- und Neuſtadt entſcheidend beeinflußt wurden: Einführung des reformierten Gottesdienſtes, Beſetzung des Ratskollegiums mit kurfürſtlichen Kandidaten, Einrichtung der Atziſe, Regelung der ſtädtiſchen Finanzen durch königliche Beamte, Sorge für Hausinduſtrie, Anlegung von Kolonien, Belegung der Stadt mit Garniſon , und beſonders Verſchmelzung der beiden Städte auf allen dieſen Gebieten wurde von Berlin aus das entſcheidende Wort geſprochen.

Die Reformierten hatten, beſonders ſeit 1686 durch die Refugies, denen verſchiedene Privilegien, wie z. B. 20jährige Abgabenfreiheit und Stellung unter einem eigenen Richter, verliehen worden waren, ſtarken Zuwachs erhalten. Auf Befehl des Großen Kurfürſten wurde ihnen die Johanniskirche überwieſen, woſelbſt ſie mit den Deutſch-Reformierten zuſammen Gottesdienſt abhielten. Sicherlich trug die Ankunft der Fremdlinge ſehr zur Belebung der Induſtrie bei. Auch die vom Landesherrn wieder in die Mark hineingelaſſenen Juden mehrten ſich, und in der Großen Münzſtraße richteten ſie ſich ſpäter eine Synagoge ein; zu größerer Bedeutung gelangten ſie ebenſo wenig wie im Mittelalter, wo ſie, wie Urkunden des 14. Jahr­hunderts berichten, nur zu 3 oder 4 Familien Aufnahme gefunden hatten.?)

) Belehnung des Hans Roch mit dem Gericht in der Alten Stadt, Geh. Staatsarchiv, Rep. 78, 42, fol. 179 i. d.; Belehnung der Storbeck ibid, fol. 196.

) Ackermann, Geſchichte der Juden in B.(Berlin 1906): S. 144 befindet ſich eine Abbildung vom Innern der heutigen, neuen Synagoge; vgl. Gebauer in den Brandenb. Preuß. Forſchungen XX, 244(mit dem Hinweis darauf, daß die Linden früher Judenſtraße hieß); vgl. Riedel IX, 19f. ­