Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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LXIII
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Kunſtgeſchichtliche Uberſicht. XIII

Mutterkloſters(1129) noch den Zwiſchenbau vor die Türme ſpringen laſſen. Die mittlere Stellung zwiſchen beiden entgegengeſetzten Lagen, nämlich die einer bündig durchlaufenden weſtlichen Flucht, nehmen eine größere Zahl von Kirchen unſeres Ordens ein, von denen nur Havelberg und Veſſera genannt ſein mögen.

Von beſonderer Bedeutung wurde hier im heidniſchen Lande die bereits erwähnte Vorhalle im Erdgeſchoß des Mittelbaus zwiſchen den Türmen, welche in den Hirſauer Kirchen zum Teil durch Hinzufügen einer beſonderen Vorkirche zu großartiger Ausbildung gekommen und in die Mehrzahl der Kirchen mit zweitürmigen Weſt­fronten aufgenommen if. Wie einſt nach der Bauvorſchrift des Kluniazenſerkloſters Farfa!) alle Laien in die Galilea(weſtliche Vorhalle) verwieſen waren, damit ſie die Prozeſſionen in der Kirche nicht ſtörten, ſo bedurfte es hier im Wendenlande eines Vorraums, in welchem die noch nicht getauften Heiden von ferne dem Gottesdienſte beiwohnen konnten, ohne den Kirchenraum ſelbſt zu betreten.

Auch bei der Anlage der Kathedralkirche folgten die Prämonſtratenſer in den weſentlichen Hauptzügen den Baugewohnheiten des damals maßgeblichen Benediktiner­kloſters: in der ſtrengen Kreuzform, der zweitürmigen Weſtfront der Baſilika und in der Ausführung aller ihrer Decken in Holz.?)

War man nun auf dieſe Weiſe bei der Grundrißplanung des Domes von der Deckenbildung völlig unabhängig, ſo wirkte andererſeits um ſo entſcheidender die Rückſicht auf die vorläufig nicht allzu bedeutenden Mittel für den Kathedral­bau und die geringe Ausſicht auf eine reiche Entfaltung des kirchlichen Lebens. Unter ſo beengenden Umſtänden, überdies bei der allgemeinen herben Lage, welche die Unwirtlichkeit der Gegend ſowie die ſchwere Miſſionsarbeit und Gefahr unter den Heiden mit ſich brachte, ja bei dem ſtrengen, in Selbſtzucht geſtählten Sinne der Ordensbrüder verbot ſich eine jener üppigen Chorbildungen franzöſi ſcher oder rheiniſcher Kathedralen von ſelbſt. Ein fertig von anderwärs eingeführtes Schema hätte alledem nicht entſprochen, und ſo wurde die Anpaſſungsfähigkeit der Prämonſtratenſermeiſter gerade hier zur ſchätzenswerten Tugend, wo es ſich nur um äußerſte Vereinfachung des Planes handeln konnte. Sie mußte bei bedeutender Größe des Maßſtabes für die Grundrißanlage in erſter Linie maßgebend werden. Der beſcheidene Aufwand, mit dem man vorerſt für den Gottesdienſt rechnen mußte, geſtattete zunächſt nur einen einzigen Altar, da auf Stiftungen für dieſe Zwecke anfänglich wenig zu hoffen war. So kam es, daß der Dom zwar nach alter Kluniazenſerweiſe in ſtrenger Kreuz­form mit verlängertem Chor angelegt wurde, aber die Seitenſchiffe des baſilikalen Langhauſes ſich jenſeits des Querhauſes nicht fortſetzten, wie die Hirſauer es längſt eingeführt hatten, ſondern der Chor einſchiffig, ohne Nebenchöre, ja ſelbſt ohne Nebenapſiden an den Kreuzarmen in knappeſter Anlage oſtwärts geſchloſſen wurde (Taf. 43), ſo daß alle anderen niederdeutſchen Dome ihm durch dieſen oder jenen bereichernden Zug überlegen ſind.

h Mon. Germ. SS, XI, 5456. 2) Baer , Hirſ. Bauſchule S. 126 127.