Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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Kunſtgeſchichtliche Uberſicht. LXV.

vorſchrift!) einen wenn auch ſchwachen Erſatz für die fehlenden früheren Kloſterbau­lichkeiten daſelbſt. Die zuerſt von v. Schloſſer, dann mit beſſerem Ergebnis von Hager verſuchte Herſtellung des Planes von Farfa macht es wahrſcheinlich, daß auch hier die Rückwand des öſtlichen Kreuzgangs in der Oſtflucht des Querſchiffes verlief. Die gleiche Lage findet ſich, ſoweit dem Verfaſſer bekannt iſt, nur noch in St. Peter in Hirſau. ?) Danach ſcheint fie auch in Brandenburg nicht lediglich Zufall zu ſein oder aus rein praktiſchen Gründen ſelbſtändig angewendet, ſondern vielmehr bewußt mit alten Kluniazenſer Gewohnheiten in Zuſammenhang zu ſtehen.

Während auf der Dominſel die bedeutenden Maſſen der Kathedrale über die ringsum ſich dehnenden Weiten der Brüche emporwuchſen, begann drüben im alten Dorfe Luckeberg hinter der Altſtadt ein Kirchenbau, der zwar vom gleichen Bau­ſtoff wie der Dom hergeſtellt, im übrigen aber durchaus anders geartet war. Wiewohl bedeutend kleiner und über den ganzen Grundriß hin in einem Guſſe angelegt, ſtockt auch hier bald der Bau und gibt ſo zu lehrreichen Unterſchieden Anlaß, die uns zum erſtenmal den Fortſchritt der Brandenburger Architektur von karg bemeſſenem Auf wande und ungleichem, ſchwankendem Können zu einem friſchen Arbeiten aus dem Vollen und zu kräftigerer Formgebung erkennen laſſen. Selbſt bei den zuerſt hochge­führten Oſtteilen bricht ſich neben einigen Unſicherheiten in der Formgebung ſchon eine kühne Neuerung Bahn: die erſten Kreuzgewölbe in Backſtein, welche die Biſchofſtadt ſah. Das kleine, aber feſte und regelmäßig geformte Steinmaterial mußte zu dieſem erſten Verſuche reizen, bei dem man freilich über etwas unbeholfene, in geraden Reihen aufgemauerte Kappen von einfacher Krümmung nicht hinauskam.

Im Grundriß von St. Nikolai(Abb. 50) ſehen wir eine uralte ſyriſche An­lage, den in Deutſchland ſeit dem 9. Jahrhundert und ſpäter namentlich von der Hirſauer Bauſchule in Süddeutſchland häufig wiederholten Plan einer kleinen, querſchiffloſen, in drei Apſiden endigenden Baſilika. Auch bei den Prämonſtratenſern war die Unter­drückung des Querſchiffs eine bei kleinen Kirchen häufig angewendete Einſchränkung. Wir finden ſie bei einer ganzen Reihe von Kirchen dieſes Ordens, wie z. B. in Brunnen­ burg a. d. Lahn , Germerode am Meißner, Oſterhofen im Regensburger Sprengel, Roggenburg , Steingaden , Ursberg in Bayern . Für die raſche Entwicklung der dama ligen Verhältniſſe in Brandenburg iſt nun bezeichnend, daß nicht gar lange nach der faſt dürftigen Choranlage des Domes eine Dorfkirche vor den Toren der Stadt mit drei Altarniſchen bedacht wurde. Doch noch mehr: während ſonſt die drei Konchen meiſt an gemeinſamer Grundlinie beginnen, iſt hier die Hauptapſis hinausgerückt worden, um einen geräumigen Vorchor zu ſchaffen. Aber ehe die Kirche noch ihre Vollendung erfuhr, genügte auch dieſer ſchon nicht mehr für die nun ſtetig zunehmende Ausgeſtaltung des liturgiſchen Zeremoniells und wurde durch eine ö. der Laienſchranke noch vergrößert.

1) Die Gebräuche und Gewohnheiten von Cluny , Manuſkript in der Vatikan . Bibliothek, Nr. 6808 (Viollet le Duc , J. 125). Annales Benedict. A. IV, p. 207- 208(Viollet ebenda Anmerk 2). Y Zeitſchrift für chriſtliche Kunſt, XVI, 170 und 179.

Kunſtdenkm. d. Prov. Brdbg. II. 3. Stadt und Dom Brandenburg .