Kunftgefchichtlidhe Äberſicht. LXIX
Dome nicht gefehlt haben. Leider find ja die Werke dieſer ganzen, höchſt bedeutenden Bautätigkeit unter Biſchof Gernand, zu welcher auch das Hoſpital des Kloſters gehörte, zu ſehr der Vernichtung anheimgefallen, um alle ihre anziehenden einzelnen Züge noch deutlich verfolgen zu können..
Die Marienkirche und der frühgotiſche Umbau der Kathedral⸗Oſtteile nebſt Krypta und bunter Kapelle bezeichnen in gewiſſem Sinne den glanzvollen Höhepunkt der älteren Bau kunſt unſerer Stadt. In ihr kommt die ſiegreiche Macht der ſtreitenden Kirche einerſeits, der kindliche Wunderglaube des Volkes andrerſeits zu einem den Verhältniſſen nach großartigen Ausdruck. Anfänglich äußerſt ſchlicht, ja herb, nimmt ſie doch ſchließlich vollere und reichere Formen an. Gegenüber den urwüchſigen, bäuerlichen Verhältniſſen, welche noch überall herrſchen, iſt ihr, wie den meiſt ritter bürtigen Prämonſtratenſer -Mönchen, welche fie ſchufen, ein gewiſſer ariſtokratiſcher Zug eigen. Stimmungsvolle Feierlichkeit beherrſcht das Weſen der Kunſt wie des Gottesdienſtes.
Inzwiſchen hatte die Bevölkerung im Lande zugenommen; die Städte füllten ſich mit Bewohnern; eine breite Volksſchicht war im Entſtehen, die ihre eigenen kirchlichen Bedürfniſſe durch den Bau ſtattlicher Pfarrkirchen zu befriedigen begann. Gerade die noch lange ſich ſteigernde Blüte des Bürgertums hat es in Brandenburg bewirkt, daß uns von den erſten Pfarrkirchen der beiden Städte nur noch die Turmſtümpfe übrig blieben, und nur bei der Katharinenkirche läßt ſich auf Grund einer ſchwachen Spur vermuten, daß ihr wohl um 1200 entſtandener Bau die erſte Hallenkirche der Mark wurde. Wie deren innerer Aufbau beſchloſſen geweſen, ob beide Kirchen ganz in Granit errichtet waren— wer weiß es? Aber ſchlicht und recht und geſund, ohne Überſchwang und hohlen Prunk, das waren ſie ſicher; das bezeugen noch heute die kärglichen Überbleibſel, welche die ſtolzen Nachkommen von den alt— väteriſchen Feldſteinbauten ihrer Altvordern ſtehen ließen.
Den tiefwurzelnden, kernigen Geſinnungen und regen menſchlichen Empfindungen des Bürgerſtandes, ſeinem ſehnſüchtigen Verlangen nach echter Herzensreligion ſtand das Domkapitel kühl und fremd gegenüber. Die vom Domkapitel beſtellten Pfarrer und Meßprieſter, die, im Beſitz ihrer Pfründen, ſich um die Nöte des Volkes bald wenig ſorgten, waren nicht imſtande, volles Vertrauen und tiefere Zuneigung zu erwecken. Die äußere Pracht der Liturgie ließ die Herzen leer.
Solche Zuſtände mußten einer Erneuerung des kirchlichen Lebens den Boden be— reiten. Aufgewühlt, beſtellt und befruchtet wurde er durch die ſchon um die Mitte des 13. Jahrhunderts zu hoher Geltung kommenden begeiſterten Scharen der volkstümlichen Bettelorden. Sie, die freiwillig Armen und Entſagenden, ſtillten das Verlangen des Volkes nach gleichſtehenden, für ſeine Lebenslage und Anſchauungen verſtändnis— volleren Seelſorgern. Von der Pfarrgeiſtlichkeit, in deren Kirchen fie zum Teil an— fänglich predigten, vielfach angefeindet, wurden ſie vom Volke mit Freuden aufgenommen, und man räumte ihnen gern am Rande der Stadt einen Platz zur Errichtung von Kirche und Kloſter ein.