Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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94 Stadt Brandenburg .

Bierte Bauzeit. In den Unruhen und Fehden zu Anfang des 15. Jahrh. ſcheint die Kirche gelitten zu haben und in Verfall geraten zu ſein. Ihr Haupt­altar lagvorwuſtet und vornichtiget. Im Jahre 1467 gewährte ihr ein wohlhabender Bürger der Altſtadt eine neue Schenkung(Riedel IX, 195). Bei dieſer Gelegenheit erfuhr ihre Weſtfront einen Ausbau. Ihn leitete nach einem Briefe des Meiſters (ſiehe 25. bis 28. Jahresbericht des Hiſt. Ver. zu Brandenburg , 1896, S. 88) Stefan Boxthude. Er errichtete auf der ſtarken Weſtmauer der Kirche zwei Glocken­häuschen in Geſtalt von ſtumpfen Zwillingstürmchen mit maſſiven Pyramidendächern. (Abb. 54 und 55). Vermutlich erhielten in dieſer Zeit auch die Seitenſchiffe den ſtaffel­förmigen Abſchluß ihrer weſtlichen Halbgiebel.

Nach einer Urkunde von 1541 waren die damals beſtehenden drei Altäre der Kirche dem St. Nikolaus, der St. Gertrud und St. Barbara gewidmet.

In der Folgezeit ſank die Kirche zur Friedhofskapelle des altſtädtiſchen Gottes­ackers herab. Ihre Seitenſchiffe füllten ſich mit Grüften, von denen zwei auf der Nordſeite belegene mit plumpen Rippengewölben überdeckt waren. Durch die Weſt­wände der Seitenſchiffe brach man damals zwei Türen. Dieſe Zuſtände gibt der Grundriß von Schierer(a. a. O., S. 53). Bei einer Wiederherſtellung der Turm­endigungen i. J. 1850 erhielten dieſe als Bekrönung etwas magere Steinkreuze. Zur Erhaltung der Kirche war wohl lange nichts geſchehen. Erſt i. J. 1903 kam es, nachdem 1895 wenigſtens die Dächer ausgebeſſert worden waren, zu einer umfaſſenderen Wiederherſtellung. Dabei wurde die Kirche u. a. von den Grüften befreit, die Seiten­ſchiffdächer wurden erneuert und die Reſte der alten Malereien unter der Tünche auf gefunden(ſiehe Schierer a. a. O., S. 45 f).

Ein Kruzifix aus dem Anfang des 16. Jahrh. hängt unter dem Spitzbogen, der die Stelle eines Triumphbogens vertritt. Die Kreuzenden ſind mit den Evangeliſten­zeichen geſchmückt. Die faſt lebensgroße Figur Chriſti ſelbſt zeigt kräftige Muskulatur und nicht unſchöne Modellierung. Teile der Arme und Beine ſowie der Evangeliſten­zeichen wurden i. J. 1904 ergänzt.

Im Oſten und Norden befinden ſich teils an, teils bei der Kirche, die noch von dem ſchönen alten Friedhof umgeben iſt, einige beachtenswerte Grabmäler:

An die ſüdliche Seitenapſis angelehnt: das Grabmal des vornehmen Kauf­und Handelsherrn Chriſtian Auguſt Wagner(+ 1774), feiner Gattin und ſeines Sohnes. Die ovalen metallenen Inſchriftſchilde ſind mit ſchmiedeeiſernen Roſen und Blattwerk umkränzt und mit geſchmiedetem Bande an einen kompoſiten Sandſtein­pilaſter aufgehängt, der die Urne trägt(Abb. 56) und von zwei Putten begleitet iſt. Ein ſchmiedeeiſernes Gitter in Rokokoformen(Abb. 49) ſchließt das Begräbnis ein. Eine zierliche Sandſteintafel mit Rokokorahmen nebenan am ſüdlichen Seitenſchiff bezeichnet die Stätte als das Erbbegräbnis des Chr. Aug. Wagner und iſt 1773 angebracht.

Südöſtlich davon ſteht frei das kleine Sandſteindenkmal des Regiments­arztes Georg Hein Holtzberg(F 1819). Das Poſtament trägt außer der Urne einen kleinen Genius mit geſenkter Fackel.