Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
Seite
97
Einzelbild herunterladen

St. Paulihirche. 97

ſpätere, durch jene Schenkung des Rates von 4314 ermöglichte Erweiterung der Kirche anzuſehen ſei. Gegenüber dieſer irrtümlichen Deutung des Denkmals und der Quellen wird nachzuweiſen ſein, daß der Chor vielmehr gerade der früheſte Teil der Kirche iſt, deren drei nacheinander entſtandene Abſchnitte mit den anſtoßenden Abſchnitten der Kloſtergebäude gleichzeitig errichtet ſind. Die Ausführung der ganzen Gebaäudegruppe ſchritt demnach ſtreifenweiſe von Oſten nach Weſten fort.

Für die richtige Zeitſtellung der ganzen Baugruppe iſt auf der einen Seite zu berückſichtigen, daß die Dominikaner gern an einzelnen romaniſchen Formen feſtgehalten haben. So iſt hier für mehrere untergeordnete Portale der Kloſtergebäude in altertümeln­der Weiſe der Rundbogen verwendet worden, was anderwärts meiſt erſt gegen 1500 geſchehen iſt. Andrerſeits kommt die dieſen Ausnahmeformen gegenüber ſpãtere Entſtehung entſchieden in der Großartigkeit der Verhältniſſe der Kirche zur Geltung, in den anſehnlichen Abmeſſungen der Fenſter, den ausgereiften z. T. ſchon für das 14. Jahrh. bezeichnenden Formen des Maßwerks, der Konſolen und der Profile. Beſonders in den reifen, vorgeſchrittenen Maßwerkformen folgt der Meiſter des Baues denen der weſtdeutſchen Kirchen faſt auf dem Fuße(Abb. 58). Dieſen Formen nach iſt die Vollendung des Schiffes allerdings für das 13. Jahrh. ausgeſchloſſen. Das lehrt unter anderem ein Vergleich mit verwandten Bauten, wie mit der 1337 bis 1343 neu erbauten Dominikanerkirche zu Prenzlau . Nun iſt aber tatſächlich der Chor der Kirche zuerſt ausgeführt und durch Aufſetzen eines Dachreiters für eine Glocke als abgeſchloſſenes Kirchlein vollendet. Dies ſpricht an ſich ſchon gegen die Ausführung eines Notbaues. Auch läßt ſein Formencharakter die Annahme ſeiner Entſtehung gegen Ende des 13. Jahrh. zu. Dann iſt aber auch in anbetracht ſeines mäßigen Umfanges ſeine Vollendung innerhalb eines Jahres wohl möglich und es ſteht ſomit ſchließlich dem nichts entgegen, das durch die Brandenburger Inſchrift gelieferte Datum 1286 dafür gelten zu laſſen. Eine unbefangene Auslegung dieſer Inſchrift kann in betreff der Wohnung der Mönche nur auf den Oſtflügel der Kloſtergebäude bezogen werden, denn dieſer bildete hier wie ſonſt im eigentlichſten Sinne die gemeinſame Wohnung der Brüder. Dieſer Oſtflüuͤgel ſchloß ſich alſo 1311 an den noch nicht lange fertigen Chor.

Die Baugeſchichte der Kirche ſtellt ſich ſomit folgendermaßen:

Erſte Bauzeit(1286). Sie umfaßt den Chor mit den 2,5 m nach Süden reichenden Anſätzen für die gerade Treppe des öͤſtlichen Kloſtergebäudes und mit der anſchließenden kleinen Wendeltreppe(Tafel 25, Grundriß). Die dreiteiligen Fenſter des Chors haben voll gezeichnete Spitzbögen, reich profilierte Gewände und ſchönes, ſehr kräftiges Maßwerk von verſchiedener Zeichnung und einer Formgebung nach Art der Naturſteinbauten. Die ſüdlichen, wegen der anſtoßenden Gebäude zu Niſchen vermauerten Fenſter haben kein Maßwerk, aber als einzige in der Kirche einfache Kapitelle an den flach getehlten Pfoſten. Die Sohlbänke verband innen und außen ein Kaffſims. Im Innern iſt es, hier wie auch im Langhaus vermutlich bei einer Inſtandſetzung im 19. Jahrh. abgehauen und an den Dienſten, die darauf ruhten, durch Konſolen erſetzt worden. Die Dienſtkapitelle haben teils ſchlichte Kelchform, teils ſind ſie mit ſchwach modellierten Wein⸗ und Eichenblättern geſchmückt. Die Rippen ſind aus einem

Kunſtdenkm. d. Prov. Bdbg. II. 3. Stadt und Dom Brandenburg . 7