Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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150 Stadt Brandenburg .

Öffnung zu ihm iſt im Boden des darüberliegenden Raumes. Dieſer iſt mit acht Kappen auf Rippen überwölbt und durch Schlitzfenſter erleuchtet. Er hat einen be­ſonderen Zugang dicht über dem Hochſockel des Turmes an der Stadtſeite und diente dazu, von oben herab die Gefangenen im Verließ zu bewachen und zu ernähren. Die oberen Wehrräume mit Balkendecken haben ihren beſonderen Zugang ein Stockwerk höher an der Südoſtſeite, früher mittelſt Treppe vom Wehrgang der Stadtmauer bezw. des Torbogens aus. Zwei dieſer Stockwerke ſind durch ſchmale, einwärts ſtark erweiterte Schlitzfenſter gut beleuchtet. Das dritte liegt hinter dem hohen Haupt geſims und iſt deshalb dunkel. Von ihm aus gelangt man auf den Wehrgang am Fuße des Helmes. Die innere Verbindung der Stockwerke war nur durch Leitern bewerkſtelligt. Der Turm iſt i. J. 1864 ausgebeſſert und bei dieſer Gelegen­heit aus Verkehrsrückſichten ſeine frühere rechteckige Grundlage, ſamt ihren Über: gängen ins Achteck abgehauen worden. Ein Modell des Mühltorturms befindet ſich im Architekturmuſeum der Königl. Techniſchen Hochſchule zu Charlottenburg .

Der Ehebrecherturm iſt 1805 abgebrochen worden. Ein Modell davon iſt in der Sammlung des Hiſtoriſchen Vereins zu B. erhalten(Abb. 87). Außerdem enthält der Brandenburger Anzeiger vom 26. März 1888 einen Bericht des Kaufmanns Fleuretton, welcher den Turm von der Stadt erworben hatte und jenes Modell an fertigen ließ. Nach ſeinen Angaben maß der Turm 5,5 m im Geviert bei etwa 22,9 m Höhe. Über einem Sockel aus Feldſtein von etwa drei Schichten Höhe erhob ſich der quadratiſche Backſteinkörper des Turmes. Eine Stichbogenöffnung über der Spur eines Maueranſatzes an der Südweſtſeite des Turmes zeigt die Stelle des Torbogens mit dem Wehrgang darüber an. Das Geſchoß darüber war auf jeder Seite mit fünf Spitzbogenblenden gegliedert. Das weiter oberhalb folgende Mauer­werk gehörte nach dem Berichte Fleurettons einer ſpäteren Zeit an, ebenſo wie die vier Spätrenaiſſancegiebel, welche das Satteldach des Turmes umgaben und in ihren vier Wetterfahnen außer einem Halbmond die Jahreszahl 1614 enthielten. Da der Turm keine Spur eines vermauerten Torbogens beſaß und mit ſeinem ganzen Körper innerhalb des Mauerzuges ſtand, ſo kann er weder ſelbſt das Tor enthalten noch etwa ein Weichhaus gebildet haben, ſondern er ſtand ohne Zweifel ſeitlich neben dem Tore und hatte vielleicht gegenüber auf der Südweſtſeite der Straße ein entſprechendes Gegenſtück. Nach dem Berichte Fleurettons wohnten in dem Hauſe gegenüber auf der Südweſtſeite der Straße(jetzt Pfeil) vier Stadtdiener, die, ſolange der Tor­bogen noch beſtand, von dort in den Ehebrecherturm gelangen konnten. Es iſt da her nicht unwahrſcheinlich, daß hier vordem ein zweiter Torturm ſtand.

Der Steintorturm am Südende der Neuſtadt(Abb. S8) iſt der in den Maßen, be­ſonders im Umfang bedeutendſte der Brandenburger Tortürme. Seine einfache, runde, mit glaſierten Kopfreihen ſpiralförmig umzogene Grundform und die reiche architektoniſche Gliederung der Zinnen(Abb. 89) ſchließen ſich der ſonſt in ſpätgotiſcher Zeit üblichen Aus­bildung von Tortürmen enger an als der Mühltorturm. Die Erbauung des 1433 zuerſt genannten Turmes darf ohne Bedenken etwa um die Mitte des 15. Jahrh. geſetzt werden. Das Erdgeſchoß(Abb. 90) diente als Durchgang von der Torſtraße, an deren Oſt­