Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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170 Stadt Brandenburg .

Zugang wie die Wendeltreppe ſcheinen an der damals noch freien Südoſtſeite gelegen zu haben, wo auch die urſprüngliche Heizanlage zu ſuchen fein dürfte.)

Zweite Bauzeit. Um das Jahr 1470, alſo etwa zwanzig Jahre nach der Errichtung des Ratsſtubenbaus, kam dann der bereits früher vorbedachte Plan für ein neues Kaufhaus einheitlich und in einem Guſſe, ſowie in unmittelbarem An ſchluſſe an jenen zur Ausführung: ein Bau von langgeſtrecktem Grundriß mit einem ſchlanken Turme am Südweſtende.

Befindet ſich das Außere des Gebäudes zurzeit in einem traurigen ruinenhaften Zuſtande, ſo mutet das verödete Innere mit ſeinen teils zwei, teils drei Stockwerken, ſeinen verſchiedenen Treppenhäuſern und ſeinen vielen Stuben und Kammern noch weniger an. Von feinen zahlreichen Längs- und Querwänden aus Stein- und aus Fachwerk erweiſt ſich indeſſen bei näherer Unterſuchung keine einzige als urſprünglich, ja noch mehr: es enthüllt ſich nach durchgreifender Entkleidung von allen entſtellenden ſpäteren Zuſätzen eine dieſer wüſten Verworrenheit gegenüber faſt unglaublich er­ſcheinende klare Anlage von einfachſter Großzügigkeit. Das Innere des ganzen neu­geſchaffenen Rechteckbaues bildete nämlich und das iſt das Bedeutungsvolle des Gebäudes trotz der in zwei Lichtgaden angeordneten Fenſter eine einzige große, durch ſeine ganze Länge, Breite und Höhe reichende weite Halle(vergl. den Her ſtellungsverſuch Abb. 102). Das völlig außergewöhnliche dieſes Ergebniſſes erfordert eine eingehende Prüfung des Befundes.

Unterſuchen wir zunächſt die ſüdweſtliche Hälfte des Gebäudes, die ſich ſchon äußerlich vor der anderen auszeichnet. Ihr jetziger Obergeſchoßfußboden iſt von vornherein dadurch verdächtig, daß er nur 0,36 m unter den an alter Stelle befind lichen Fenſterſohlbänken liegt. Wie zu erwarten, zeigt ſich ſein Auflager, ſobald die Putzhülle fällt, als eine ſpätere Aufmauerung. Doch auch da, wo bei üblicher Brüſtungshöhe ein Fußboden liegen müßte, fehlt jeglicher Mauerabſatz für das Auf lager von Balken. Erſt weiter abwärts, bei 2,20 m über Erdgeſchoßfußboden findet ſich merkwürdigerweiſe ein durchlaufender horizontaler Abſatz von O, 15 m Breite, alſo ganz wie für Balken geſchaffen**); und doch konnte in dieſer Tiefe nimmermehr eine Stockwerkskonſtruktion liegen; wenigſtens nicht für den durch die ganze Breite eines Rathauſes reichenden Raum, in den man vom Markte durch das Hauptportal eintrat. Sie würde deſſen Sffnung quer durchſchnitten haben! Hier muß alſo eine

) Kolb(a. a. O. S. 2 und 50) hält das Gebäude für den Schöppenſtuhl der beiden Schweſterſtädte Brandenburg , der auf derlangen Brücke ſtand,bis er um die Mitte des 14. Jahrh. nach der Altſtadt verlegt wurde. Von einer ſolchen Verlegung des Schöppenſtuhles iſt dem Verfaſſer nichts bekannt; vielmehr wurde der Schöppenſtuhl nach mehrſeitiger Annahme erſt gegen die Mitte des 14. Jahrh. in Brandenburg auf der Langen Brücke errichtet; ja er wurde dort an der gleichen Stelle i. J. 1552 nach Abbruch des älteren tatſächlich noch einmal neu gebaut und blieb dort in Ge­brauch bis gegen das Jahr 1700(ſiehe unter Schöppenſtuhh).

) Er wurde erſt in neuerer Zeit zur Einrichtung von zwei Geſchoſſen durch Aufmauern höher hinaufverlegt, wie die ohne ordnungsmäßigen Verband vorgeblendeten, in Form und Farbe abweichenden Backſteine ſehr deutlich zeigen. Danach iſt Kolb(a. a. O. S. 44 zu berichtigen.