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Sonderheft 2, Zur Entstehungs und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
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ausgegeben. Ich trage das sonderbare Gefühl mit mir herum: wir haben aus derselben Quelle geschöpft. Will sagen: unser beiderseitiges Motiv ist die­selbe Ehetragödie, die sich vor einigen Jahren ereignete und in Folge der gesellschaftlichen Stellung der betr. Personen eine ziemliche Notorietät er­langte. - Das p.p. Publikum wird selbstverständlich davon nichts merken. Mir aber wäre es hochinteressant, von Ihnen zu hören, ob Sie glauben, daß meine Vermutung gegründet ist.»

Fontane antwortete am 21. Februar 1896 mit dem ausführlichen Brief, der bereits zur Stoffgeschichte zitiert worden ist. Spielhagen schrieb daraufhin am 23. Februar: «So hat sich denn meine Vermutung vollauf bestätigt: wir haben beide aus derselben Quelle geschöpft. Nur daß Sie ihr von vornherein in der Ferne waren, die dem Poeten so günstig ist; und ich mich in unbe­quemer Nähe befand. Das heißt: ich habe die personae dramatis wohl ge­kannt, weitaus am besten allerdings die Frau, mit der ich sowohl vor als nach der Katastrophe in Korrespondenz stand, die in letzter Zeit allerdings eingeschlafen ist [Briefe Spielhagens an Elisabeth von Ardenne aus den Jahren 1877 bis 1881 hat Seiffert, a.a.O., S. 284ff., veröffentlicht]. In Folge dessen hatte ich fortwährend mit der Gefahr zu kämpfen, allzu deutlich zu werden und so die pflichtschuldige Diskretion zu verletzen. Die Sache lag für mich um so schlimmer, als ich - mein Plan brachte es so mit sich - dem Charakter der Heldin unedle Züge beimischen mußte, von denen das Origi­nal nach meiner Überzeugung frei war und ist. Denn die Dame lebt aller­dings noch - als ich zuletzt mit ihr korrespondierte, in einem strengen Insti­tut, in welchem junge Damen ,von Stande* zu den höheren sittlichen An­schauungen und Aufgaben des Lebens emporgeflügelt werden. - Daß eine Ihnen mitgeteilte Szene die Keimzelle zu Ihrer ganzen Geschichte wurde, ist mir keineswegs überraschend, aber ein interessanter Beitrag zu dem geheim­nisvollen Kapitel der Genesis von Dichtungen. - So konnten Sie sich frei­lich leichter von der Erdenschwere der Wirklichkeit befreien, die meinem Roman, fürchte ich, anhaftet. - Und nicht wahr, wir beiden alten Auguren behalten unsere Geheimnisse schweigend für uns, wie es den Geweihten ziemt. - Schließlich kann ich nicht umhin, Ihrer Effi noch meinen herzlich­sten Dank zu sagen dafür, daß sie mir die Veranlassung geboten hat, mit einem hochverehrten Manne in nähere Verbindung zu treten, als es mir - Gott seis geklagt! - bis jetzt vergönnt war.»

Fontane schloß diesen Briefwechsel am 24. Februar 1896 vorläufig mit den Worten ab: « Es beglückt mich, Ihnen am Ende meiner Tage näher getreten und ein Gegenstand Ihrer wohlwollenden Gesinnungen gewesen zu sein.» Im Mai 1896 wandte sich Spielhagen wiederum an Fontane; er fragte an, ob er ihm seinen Roman «Zum Zeitvertreib » schicken dürfe, der zwar erst im Herbst erscheinen werde, aber bereits gedruckt sei. Fontane sagte sofort zu und teilte Spielhagen mit, daß er den Roman in Karlsbad lesen wolle. Spielhagen schickte Fontane am 22. Mai das Buch mit der Widmung «Herrn

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