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Sonderheft 2, Zur Entstehungs und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
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er sich an seinem Roman « noch genugsam» werde quälen müssen, und am 2. November teilt er Friedlaender resigniert mit: «Mit meiner Romandurch­sicht bez. Feilung will es nicht mehr recht gehn, die Nerven wollen aus- spannen oder an andrer Stelle arbeiten ...»

Fontane scheint sich indes nur eine kurze Rast gegönnt zu haben, denn er wußte - wie er im Tagebuch notierte -, daß ihn die nun folgende Korrektur «wenigstens noch ein halbes Jahr» kosten würde. Schon zu Neujahr 1897 beschäftigte er sich wieder mit dem Manuskript; «ich schreibe noch einige Kapitel, vor allem aber nimmt mich die Überarbeitung ganz in Anspruch» (Tagebuch). Noch im Mai charakterisierte er seine Arbeitssituation als einen «krankhaften Zustand», der wohl noch «drei, vier Monat» [!] andauern werde. «Ich stecke so drin im Abschluß eines großen, noch dazu politischen (!!) und natürlich märkischen Romans, daß ich gar keine andern Gedanken habe und gegen alles andre auch gleichgültig bin.» (An Heilborn, 12. Mai 1897.) Anfang Juni fuhr der Dichter nach Neubrandenburg in die « Sommer­frische», und hier sollte die Druckfassung beendet werden. «Am 15. August soll er [der Roman] in Stuttgart sein», teilte er am 21. Juni Friedlaender mit, « und da heißt es denn sich ranhalten, da die Korrektur von etwa 600 Seiten auch noch ein hübsches und schwieriges Stück Arbeit ist.» Drei Wochen spä­ter hatte es der Siebenundsiebzigjährige «gezwungen»: «Mama sitzt fest am Schreibtisch und packt Blatt auf Blatt; ich bewundre den Fleiß, aber nicht die Stimmung; sie leidet unter einer kolossalen Langen weile, deren Zutage­treten weder schmeichelhaft noch fördersam für mich ist, auch nicht durch die Resignation, in die sie sich kleidet. Denn diese Resignation hat weniger von einer weichen Wehmut als von einer stillen, aber starken Verzweiflung. Schriebe ich noch einen Roman - allerdings undenkbar -, so würde ich einen Abschreiber nehmen, coüte que coüte.» (An Martha Fontane, 13. Juli 1897.) Am 16. Juli meldete der Dichter seiner Tochter: «Die 46 (!) Kapitel ruhen bereits verpackt im kleinen schwarzen Koffer; klingt wie Sarg, was hoffentlich nichts Schlimmes bedeutet. Mama hat sich hinsichtlich ihrer Stel­lung zu dem Ganzen wieder berappelt und das Desperationsstadium hinter sich. Sprich also nicht zu ihr über das, was ich Dir darüber geschrieben.» Kurz darauf schickte Fontane das Manuskriptpaket nach Stuttgart, an die Redaktion der illustrierten Wochenschrift «Uber Land und Meer», die den Roman zum Vorabdruck angenommen hatte. Noch am 9. September 1896 hatte der Dichter seinem Sohn Friedrich gegenüber erklärt, daß er keinerlei Hoffnung habe, den « Stechlin » in « einem Blatt vorher drucken zu lassen ». Von Rodenbergs «Deutscher Rundschau», in der «Unwiederbringlich», «Frau Jenny Treibei» und « Effi Briest » zuerst erschienen waren, hatte er sich gerade in jenen Tagen zurückgezogen. Rodenberg beurteilte die An­gelegenheit aus seiner Sicht; am 9. März 1897 notierte er in seinem Tage­buch : « Gegen Fontane hat es mich ein wenig verstimmt, daß er seinen neuen Roman nicht der ,Rundschau' gegeben; wir haben uns gestern abend in aller

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