Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
89
Einzelbild herunterladen

89

Er habe schon mit der Gemeinde angefangen, sich in's Un­abänderliche zu fügen, und hätte es nicht gewagt, auch nur die Bitte auszusprechen, deren Erfüllung ohne Wortbruch seitens des Rabbiners nicht möglich gewesen wäre. Aber heute lägen die Dinge anders. Bei diesen kriegerischen Unruhen, von denen jetzt Böhmen heimgesucht sei, könne man eine solche Reise nicht wagen. Der Rabbiner möge sein gegebenes Wort, das Prager Rabbinat anzunehmen, immerhin aufrecht erhalten, seine Ein­lösung aber verschieben, bis wieder geordnete friedliche Zu­stände eingetreten seien. Unter den gegenwärtigen kriegerischen Unruhen könne die Prager Gemeinde nicht auf Einlösung des gegebenen Versprechens bestehen und die Frankfurter Gemeinde könne es nicht verantworten, in solchen Zeiten ihren Rabbiner eine derartige Reise antreten zu lassen.

Mein lieber Freund," unterbrach Rabbi Jesaja den Sprecher,spart Euere Worte. Sie sind gewiß gut gemeint, aber sie werden mich nicht überzeugen. Gott ist der Mann des Krieges! Wenn ich mit Ihm gut stehe, fürchte ich keine Schrecken des Krieges, und wenn ich nicht gut mit Ihm stehe, habe ich im tiefsten Frieden Ursache zu zittern. Wenn ich in der reinen Absicht reise, mein gegebenes Wort einzulösen, dann darf ich auch auf den Beistand Gottes rechnen, der mir dann schützend zur Seite steht. Vor meinem gegebenen Worte hätte mich der böhmische Krieg zurückhalten können, es zu sprechen, aber nachdem es einmal gesprochen ist, will ich es nicht unerfüllt auf mir lasten lassen. Ihr wißt es, wie kein Zweiter in der Gemeinde, daß ich schon ohnedies eine große Last zu tragen habe."

Ihr denkt immer noch an die Geschichte mit der Polizei? In Frankfurt denkt sonst kein Mensch mehr daran."