Ein Jahrzehnt ist seither vergangen. Das ist ein für Faunenwandel und-veränderungen kurzer Zeitraum. Vergleicht man jedoch das damals entworfene Bild mit dem jetzt bekannten, dann treten bemerkenswerte Unterschiede hervor. Das liegt zum Teil am Wis senszuwachs, der dazu beitrug, Kenntnislücken zu schließen. Schwerwiegender sind jedoch die Veränderungen, die sich in diesen wenigen Jahren als Folge menschlicher Einwirkungen vollzogen haben, weitere zeichnen sich ab. Diese zu erfassen war bereits Ende der 60er Jahre vorrangiges Ziel der Avifaunistik.
Zehn Jahre nach dem Erscheinen der"Vogelwelt Brandenburgs" scheint es angemessen, einen"Lagebericht" zu geben und daraus einen Einblick in die Dynamik des Geschehens zu gewinnen. Die Analyse muß zwangläufig grob bleiben, denn nur für wenige Arten lassen sich die Veränderungen exakt belegen. Entwicklungstrends sind jedoch bei vielen Arten erkennbar. Trotzdem überwiegt die Anzahl der Brutvogelarten, die in diesem Aufsatz nicht erwähnt werden. Das ist in nicht wenigen Fällen in unzureichendem Wissen begründet, womit jene herausgefordert sind, die über die Bestandsentwicklung nicht genannter Arten Aussagen treffen können.
Bei den Einschätzungen stütze ich mich auf eigene Kenntnisse, mündliche und schriftli che Mitteilungen anderer Ornithologen und die Durchsicht des Schrifttums.
Für den ökologisch denkenden Avifaunisten ist es kaum möglich, über Faunenwandel zu sprechen, ohne nach den Ursachen zu fragen, die diesen bewirken. Nicht immer gelingt es, sie zu erkennen. Häufig genug stößt man jedoch auf menschliche Einwirkungen, und zwar sowohl bei positiven wie bei negativen Bestandsentwicklungen.
2.I1m Bestand. zunehmende. Arten
2.1. Non-Passeres
Nachstehend sind die Arten aufgeführt, die bei landesweiter Betrachtung gegenwärtig häufiger brüten als zu Beginn der 80er Jahre. Das schließt nicht aus, daß einige lokal.oder regional zurückgegangen sind. Es handelt sich um folgende Arten: Kormoran , Graureiher, Graugans, Schnatterente, Löffelente( WAWRZYNIAK: in der Region Brandenburg/Havel und Eberswalde Rückgang), Brandente, Habicht, Rotmilan, Seeadler, Fischadler, Kranich , Schwarzstorch, Teichralle, Lachmöwe(SCHMIDT: Abnahme in Ostbrandenburg), Ringeltaube(insgesamt 13 Arten). Die meisten nehmen auch in anderen. Teilen ihres Verbreitungsgebietes, zumindest aber in Mitteleuropa , zu. Die Ursachen für die positive Entwick lung sind bei allen Arten anthropogener Natur, wobei jeweils ein Bündel von Faktoren miteinander verflochten ist.
Die Kormoranansiedlung an der Unteren Oder und die Ansiedlungsversuche in der Nie derlausitz sind Folge der extremen Bestandszunahme in Dänemark, Polen und Mecklen burg-Vorpommern , verursacht durch strengen Schutz in den Brutkolonien und günstige Ernährungsbedingungen im Brutgebiet, längs der Wanderroute und in den Winterquartieren. Im Brutgebiet sichert die Massenentwicklung planktonfressender kleinerer Fischarten, die die Fischer abwertend als"Fischunkraut" bezeichnen und nicht nutzen, den Kormoranen einen reichlich gedeckten Tisch. Längs des Wanderweges und im Winterquartier (Jugoslawien ) bieten Karpfenteichanlagen günstige Ernährungsmöglichkeiten.
Die den Fischbestand begünstigende Eutrophierung der Seen kommt auch dem Graureiher entgegen, was sich in Neuansiedlungen und wachsenden Kolonien niederschlägt. Weitere für den Bestand förderliche Faktoren sind die Umstellung auf Feldmäuse als wichtige Nahrungstiere und der Schutz der Kolonien.