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Band 1 Heft 1
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G. MAUERSBERGER: Ungenutzte Quellen zur Geschichte des märkischen Avifauna

E: Die Tagebücher HERMAN SCHALOWS Mit seiner nicht nur für damalige Umstände außerordentlichen Bibliothek hat SCHALOW (1852-1925), der sich der DOG und ihren führenden Köpfen- dem berühmten JEAN CABANIS ehrfurchtsvoll vertraut, ANTON REICHENOW freundschaftlich- eng verbunden fühlte, auch seine Tagebücher testamentarisch der Gesellschaft vermacht; sie steht in dem Zimmer, das vor mir ERWIN STRESEMANN lange Jahre(bis zum Kriege) als Arbeits- und Ablageraum gedient hat.

Diese Tagebücher enthalten ganz unterschiedliche Niederschriften. Da sind innerste zarte Ergüsse, die uns auch heut noch nichts angehen, da schildert er patriotische Gefühle, die ihn in des Deutschen Reiches ruhmreicher Kaiserzeit überkamen(so bei den Ereignissen Unter den Linden nach dem Siegestag von Sedan). Er verzeichnet genau, wann er dieses und jenes ihm wichtige Buch(ornithologischen, malakozoologischen und allgemein na­turwissenschaftlichen Inhalts) erworben hat, wann er in der Mittagspause(also nicht"nur an den Sonntagen", wie bei GEBHARDT 1964 zu lesen) aus seinem Kontor in der Französi­schen Straße"auf das Zoologische Museum", damals noch im Universitätsgebäude Unter den Linden , gegangen ist, um Literatur oder die Sammlung zu studieren, mit CABANIS über Protokolle von DOG-Sitzungen zu beraten oder berühmte ausländische Ornithologen zu treffen. Er hält Entwürfe von Artikeln und Rezensionen fest, gelegentlich ebenso die Eingänge von Sammlungen im Museum oder seine Besuche im elterlichen Sommerhause in Schönholz.

Die Unerheblichkeit vieler dieser Einträge mag den sonst so spursicheren STRESEMANN abgehalten haben, sich schatzsucherisch weiter in die Tagebücher zu vertiefen, als ihm für den Nachruf wichtig erschien. Die großen Züge der Entwicklung der Ornithologie werden allerdings wirklich kaum gestreift. Manchmal aber spürt man doch das Wehen eines Flü­gels der Geschichte. Dies ist nicht der Ort, die Niederschriften biographisch, ornithologie­und faunengeschichtlich zu durchleuchten. Wie sehr sich das lohnen mag, will ich an eini­gen herausgehobenen Stellen erkennbar machen.

Da finden wir knappe Schlaglichter auf bekannte Ornithologen jener Zeit, so auf RUSS, VANGEROW, ALFRED EDMUND BREHM, HANSMANN, ALEXANDER BAU, A.B. MEYER, ALEXANDER VON HOMEYER , CABANIS , REICHENOW und auf ihn selbst, auf das Leben im sich entwickelnden Zoologischen Museum und in der DOG(beides läßt sich gar nicht trennen). So berichtet SCHALOW vom 5. September 1873,"daß Berlin augenblicklich der Rendez vous Platz mehrerer bedeutender Ornithologen sei, die sich einerseits gegenseitig kennen lernen wollten und andererseits die reichen Schätze unseres Museums vergleichen wollten mit eigenen und fremden Notizen und Anschauungen. Wie ich hörte, kommen die Herren heute Abend wieder... in unserem Sitzungslokal zusammen und so beschloß ich denn auch hinzugehen.

Da traf ich denn neben unseren alten Berlinern BREHM, C ABANIS und GRUNAK den alten EUGEN VON HOMEYER, den Herrn MEWES aus Stockholm , DR. FINSCH aus Bremen , Herren DRESSER und BLANFORD aus London . Letzterer war erst vor kurzer Zeit aus Persien zu­rückgekommen, welches er ornithologisch durchforscht hatte.""Ebenso jung wie er ist auch DRESSER, der jetzige alleinige Herausgeber der History of the birds of Europe, ein netter junger Mann, der recht geläufig deutsch spricht und colossale Kenntnisse zu haben scheint. Auch BLANFORD spricht deutsch , ist aber viel stiller, als sein Landsmann. Dieser lag bald in der interessantesten Diskussion mit dem alten HOMEYER.""Im Laufe des Abends wurde Alles mögliche besprochen. Die DARWINSCHE Theorie wurde hineingezogen und schließlich kam man zu dem Resultat, daß nicht Alles direct zu verwerfen wäre.