Heft 
Band 3 Heft 1/2
Seite
59
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OTtıs, Berlin 3(1995)1/2, S. 59

LIESELOTTE KUNERT(26. Juli 1914- 07. April 1993)

Im Jahre 1970 entdeckte ich während eines Urlaubs im Zechengrund am Fichtelberg eine äl­tere Frau beim Vogelbeobachten. Frauen sind auch heute noch(ich schreibe diese Zeilen un­mittelbar nach der Novembertagung 1995der ABBO) unter Avifaunisten unterrepräsentiert. Ich war damals gleichfalls mit dem Fernglas auf Vogelpirsch, meine Frau und meine beiden Kinder begleiteten mich. Aus dieser ersten Begegnung mit Lieselotte Kunert entwickelte sich eine langjährige Freundschaft. Lieselotte Kunert lernten wir kennen und schätzen als eine überzeugte evangelische Christin, die ihr ganzes Leben in den Dienst der Kirche gestellt hatte. Vor allem als Organistin, Chorleiterin und Katechetin wirkte sie in Schulzendorf bei Eichwalde und in Rathenow . Sie kannte keine Berührungsängste mit Andersdenkenden, wenn es dem Naturschutz förderlich war. Ihr besonderes Interesse galt dem Unterricht mit Kindern, bei dem sie es hervorragend verstand, eine Verbindung von Lernen und Spielen herzustellen. Ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl bewirkte, daß sie erkannte Unregelmäßigkeiten im kirchlichen Dienst konsequent aufklärte, was auch höhere Kirchendiener zu spüren bekamen. Artikel über die Vogelwelt in Kirchenzeitungen stammen aus ihrer Feder.

Mit solchen Eigenschaften wie Be­harrlichkeit, Ehrlichkeit und Genüg­samkeit hatte sie gute Voraussetzun­gen für einen Naturbeobachter. Sie war sehr gewissenhaft beim Auf­zeichnen von Vogelbeobachtungen und dabei auch sehr kritisch. Außer­halb von Brandenburg beobachtete sie besonders gern auf Amrum und Hiddensee . Und wenn sie uns in Strausberg öfter besuchte, sprang sie noch im hohen Alter mit mir über die Gräben in den Langen Damm­wiesen. Ungeschminkt machte sie mir klar, daß mein Garten ökolo­gisch noch verbesserungsfähig Sei. Die Limikolenfreunde werden sich daran erinnern, daß die Beringungs­Helferin Lieselotte Kunert im Inter­esse des Vogelschutzes sehr für die Verhinderung von Verletzungen beim Reusenfang gekämpft hat.

Lieselotte Kunert am 30.05.1989 am Gülper See. Foto: Fuhrmann, Eichwalde

Aber sie war auch ein Mensch, der stundenlang am Dornbusch auf Hiddensee sitzen konnte und seine Gedanken zu Papier brachte. Mit Menschen wie Lieselotte Kunert einer war, die nicht zu den berühmt gewordenen Ornithologen zählt, so glaube ich, kann man eine bessere Gesellschaft aufbauen. Die Faszination Vogelwelt begleitete ihr ganzes Leben.

JÜRGEN STAGE, Strausberg