Heft 
Band 4 Heft 1/2
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82 LANGGEMACH, T.& P. SÖMMER: Situation und Schutz der Adlerarten

Der gegenwärtige Bestand des Seeadlers in Brandenburg wird mit 75 Paaren beziffert (RYSLAVY 1997). Etwa ein Achtel der mitteleuropäischen Seeadlerpopulation lebt somit in Brandenburg . Die Bestandsentwicklung der Art, die nach SCHALOW(1919) in der Mark schon einmal als regelmäßiger Brutvogel verschwunden war, beschreibt FEILER(1983). Die Tendenz während der letzten hundert Jahre war- unterbrochen durch Rückschläge- insgesamt positiv. In den letzten zehn Jahren ist der Trend klar steigend, wobei die Schließung von Erfassungslücken (z.B. auf ehemaligen Truppenübungsplätzen) zur zeitweise beeindruckenden Zunahme beigetragen hat. Gleichwohl ist die Tendenz in Mecklenburg-Vorpommern und Polen ähnlich und entspricht damit dem Trend in ganz Mittel-, Ost- und Nordeuropa , wobei sich immer noch kein Ende des Bestandsanstieges andeutet. Verbunden damit ist eine Arealerweiterung in Richtung Westen, Süden und Norden(Dänemark !). Der brandenburgische Seeadlerbestand gehört mithin gemeinsam mit dem in Mecklenburg-Vorpommern zu einer Subpopulation, von der ein Populationsdruck ausgeht und ist somit von besonderer Bedeutung für die Neubesiedlung von Regionen, in denen der Seeadler - teilweise schon in historischer Zeit- ausgerottet oder verdrängt worden war.

Innerhalb Brandenburgs gibt es Verbreitungsschwerpunkte in der Uckermark sowie in der Niederlausitz . In der Niederlausitz ist die relativ hohe Siedlungsdichte insofern interessant, als dieses Gebiet erst in den letzten Jahrzehnten vom Seeadler wiederbesiedelt wurde. Unbesiedelt ist der Großraum von Berlin , ansonsten ist die Verteilung der Brutpaare fast flächendeckend. Regionale Unterschiede in der Siedlungsdichte hängen mit naturräumlichen Gegebenheiten, Bevölkerungsdichte und Landschaftsnutzung zusammen(vgl. Abb. 1).

Die Siedlungsdichte auf der Gesamtfläche des Landes beträgt gegenwärtig etwa 0,25 BP/100 km?(RYSLAVY 1997). Die maximale Siedlungsdichte auf Kreisebene beträgt 0,7 BP/100 km?, die minimale 0,09 BP/100 km*. Im Vergleich zu Brandenburg ist die Siedlungsdichte in Mecklenburg-Vorpommern doppelt so hoch; sie beträgt gegenwärtig etwa 0,5 BP/100 km? und erreicht auf Kreisebene Maxima von 1,15 BP/100 km?(MEYBURG& SCHELLER 1995, HAUFF 1996b). Nicht nur aus diesem Grund ist die Aussage, daß gegenwärtig alle potentiellen Seeadlerreviere in Brandenburg besetzt sind und eine"Sättigung" erreicht ist, nicht zutreffend. Gebietsweise ist sogar eine Abnahme. der Brutpaare zu verzeichnen, z. B. im Gebiet des ehemaligen Kreises Gransee , für den LOEW(1981) für die sechziger Jahre noch sieben Brutpaare angibt, während es heute nur noch zwei bis drei Paare gibt, von denen lediglich eins als stabil bezeichnet werden kann. Genau dieses ist durch ein Großprojekt akut gefährdet. Insofern ist die Habitatkapazität keine starre Größe, sondern durchaus menschlichen Einflüssen unterworfen: eine"Sättigung" kann nicht nur durch Zunahme des Adlerbestandes, sondern auch durch Abnahme geeigneter Bruthabitate hervorgerufen werden. Daß darüberhinaus auch Anpassungen der Vögel selbst einzukalkulieren sind(z.B. geringere Störungsempfindlichkeit durch Wegfall der Bejagung) zeigt das Beispiel Schleswig-Holsteins : die Entwicklung von drei Seeadlerpaaren im Jahr 1982 zu 16 im Jahr 1995(STRUWE-JUHL 1996) hätte vor 15 Jahren niemand für möglich gehalten.

Über die Bedeutung Ostdeutschlands als Brutgebiet hinaus deuten die Ergebnisse des internationalen Farbberingungsprogrammes an, daß die Rolle des Gebietes als Überwinterungsraum für nord- und osteuropäische Seeadler wohl größer ist, als bisher angenommen(KÖPPEN 1996).

Die Reproduktion der brandenburgischen Seeadler unterlag in den vergangenen Jahrzehnten erheblichen Schwankungen. Langjährige Datenreihen liegen aus dem Gebiet der weiteren Schorfheide von FREYMANN, MANOWSKY, OEHME und anderen vor(OEHME&