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Band 7 Heft 1/2
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14 KABUS, A..:Farbberingter Löffler am Gülper See- Anmerkungen zum aktuellen Auftreten in Brandenburg

6. Bestandsveränderungen in Europa

Innerhalb nur eines Jahrzehnts hat sich der Status des Löfflers in Brandenburg von einer

nur ausnahmsweise auftretenden Art zum regelmäßigen, wenn auch seltenen Gast verändert. Zweifellos hängt das mit der Brutbestandsentwicklung im europäischen Raum zusammen. Sein Vorkommen beschränkt sich im Wesentlichen auf wenige, teilweise sehr weit voneinander entfernt liegende Plätze in den Niederlanden , Spanien und Ungarn/Österreich sowie darüber hinaus in Südosteuropa und der Ukraine (BEZZEL 1985, GLUTZ VON BLOTZHEIM 1987, BAUER& BERTHOLD 1997; HAGEMENER& BLAIR 1997). Das Vorkommen in Österreich am Neusiedler See war nach anhaltend negativer Bestandsentwicklung(MÜLLER 1984) im Jahre 1990 vorübergehend erloschen. Der europäische Gesamtbestand wird mit 5200- 9200 Paaren angegeben(BAUER& BERTHOLD 1997). Kennzeichnend sind in allen Kolonien die großen Bestandsschwankungen. Die aktuelle positive Entwicklung in Europa geht auf die Zunahme vor allem der west- und südwesteuropäischen Brutkolonien zurück, während in Ost- und Südosteuropa erhebliche Rückgänge zu verzeichnen sind(BAUER& BERTHOLD 1997).

Für den brandenburgischen Betrachtungsraum ist besonders die Entwicklung in den Niederlanden

von Interesse. Nach einem Tiefstand im Jahre 1968 mit nur ca. 150 Paaren(VAN DER HUT 1992) stieg der Bestand dort seitdem kontinuierlich an. Er erreichte Anfang der 90er Jahre wieder die hohen Zahlen der 20er Jahre(VOSLAMBER 1994). In der kurzen Zeit von 1994 bis 1998 verdoppelten sich die Vorkommen sprunghaft von 661 auf 1270 Paare(OVERDIUK 1999). Die binnenländischen Kolonien beherbergen heute sogar die höheren Bestände gegenüber den traditionell besiedelten Nordseeinseln. Eine beachtliche Ausbreitung des Löfflers ist also ganz offensichtlich. Sie zeigt sich weiter in Kolonie­Neugründungen und der Wiederbesiedlung von England ab 1997 und Dänemark ab 1998(OVERDIJK 1999). In Deutschland gibt es mittlerweile nach einem mißglückten Brutversuch 1962(PUNDT und RINGLEBEN 1963) zwei kleine, aber stetig wachsende Kolonien auf den Inseln Memmert ab 1995 und Mellum ab 1996(WILKENS 1997, DSK 1998, BARTHEL 1999a/ b). Zwangsläufig werden Löffler zunehmend im deutschen Wattenmeer, aber auch im Binnenland vor allem Niedersachsens und Schleswig-Holsteins gesehen. Hier ist zukünftig mit neuen Brutansiedlungen zu rechnen(DSK 1998). Vor diesem Hintergrund ist das zwar immer noch seltene, aber in neuerer Zeit regelmäßige Auftreten des Löfflers in Brandenburg plausibel. Das Erscheinen eines beringten Vogels am Gülper See bestätigt den direkten Zusammenhang mit der expandierenden niederländischen Population. Offenbar ist die Art trotz spezifischer Habitatansprüche in der Lage, flexibel auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren. Die Erschließung neuer Brut- und Zugregionen muß im Sinne einer Dichteregulation als Bestandteil dieses Prozesses gewertet werden.

Literatur

ABBO- ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN -BRANDENBURGISCHER ORNITHOLOGEN(1998): Avifaunistische Kommission in Brandenburg und Berlin gegründet.- Otis 6: 161-162

BARTHEL, P. H.(1998, 1999a, b, c): Bemerkenswerte Beobachtungen Oktober bis Dezember 1998, Mai und Juni 1999, Juli 1999, August und September 1999.- Limicola 12: 328-336, 13: 132-152, 13: 208-216, 13: 262-277

BAUER, H.-G.& P. BERTHOLD (1997): Die Brutvögel Mitteleuropas: Bestand und Gefährdung.- 2. Aufl., Wiesbaden

BEZZEL, E.(1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Nonpasseriformes.- Wiesbaden

BRÄUNLICH, A., HAUPT, H.& W. MÄDLOW(1996): Avifaunistischer Jahresbericht für Brandenburg und Berlin 1994.- Otis 4: 1-49

BRÄUNLICH, A., HAUPT, H.& W. MÄDLOW(1997): Avifaunistischer Jahresbericht für Brandenburg und Berlin 1995.- Otis 5: 1-60

DEUTSCHE SELTENHEITENKOMMISSION(1998): Seltene Vogelarten in Deutschland 1996. ­Limicola 12: 161-227