Heft 
Band 7 Heft 1/2
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OTIS 7(1999); 97-115 1

Das Jahr 1998 spielt insofern eine bemerkenswerte Rolle, da neben dem Zwergstrandläufer nahezu alle anderen Limikolenarten auffällig häufig zogen. Insbesondere Arten mit weit östlichen Verbreitungsgebie­ten traten gehäuft auf. Die bei DIERSCHKE(1994) formulierten Zusammenhänge zwischen Bruterfolg und Lemmingzyklus auf Tajmyr sind 1998 bei einem theoretisch zu erwartendem schlechtem Jahr in Brandenburg für viele seltenere Calidris-Arten erstmals nicht eingetreten. Bisher war sehr gute Kongruenz zur Lemmingtheorie auch in Brandenburg gegeben. Für zahlreiche ALemmingjahreA vor 1990 findet sich Übereinstimmung für Brandenburg bei den meisten Calidris-Arten(SCHONERT 1984, KRÜGER 1995; RUTSCHKE 1987; HAUPT& SCHMIDT 1997). Das Jahr 1997 mit dem Oderhochwasser ist in diesen Zusammenhang für Brandenburg nicht sicher bewertbar, da solche großflächigen, sehr guten Rastbedin­gungen nicht die Regel sind.

Der Zwergstrandläufer zeigt auch in Brandenburg eine weniger strenge bis keine Bindung zum dreijähri­gen Lemmingzyklus(DIERSCHKE 1994, HAUPT& NOAH 1997). Die Jungvogelhäufigkeiten folgen derzeitg einem überwiegend zweijährigem Wechsel. Insbesondere in den letzten AGipfeljahrenA des Lemmings(1991, 1994, 1997?) sind in Brandenburg und überwiegend deutschlandweit relativ wenige Zwergstrandläufer registriert worden. Bei DIERSCHKE(1994) und HAUPT& NOAH(1997) werden die wahrscheinlichsten Argumente des abweichenden phänologischen Erscheinungsbildes des Zwergstrand­läufers genannt. Sehr großes Brutgebiet und hohe theoretische Reproduktionsfähigkeit machen den Zwergstrandläufer nur bedingt abhängig vom zyklischen Prädatorenauftreten. Entscheidend für den Re­produktionserfolg sind die jährlichen Witterungseinflüsse zur Brutzeit. Da die Zwergstrandläuferweibchen mehrere Gelege zeitigen können und eine nur geringe Brutortstreue zeigen, sind auch aktive Umverlage­rungen bei zu hohem Prädatorendruck denkbar.

Lediglich der Alpenstrandläufer und der Kiebitzregenpfeifer weisen in Brandenburg das für 1998 zu er­wartende schlechte Brutergebnis anhand des registrierten Jungvogelzuges nach und folgen damit dem bisherigen dreijährigem Lemmingzyklus. Dieser Umstand läßt Überlegungen zu, daß eventuell sogar Östlich Tajmyr brütende Vögel bei uns durchziehen könnten oder aber der derzeitige Verbreitungsschwer­punkt des Alpenstrandläufers(C. alpina alpina) nicht im Gebiet Tajmyr liegt. Auch wenn das Auftreten von Knutt, Sichelstrandläufer, Sanderling und Odinshühnchen 1998 in Brandenburg nicht unbedingt den Tajmyreffekt des AGipfeljahres+1A stützen, muß die Herkunft der AzahlreichenA dj. Vögel offen blei­ben. Interessant in dem Zusammenhang ist das Auftreten des Sichelstrandläufers. Während der Altvogel­wegzug im Binnenland und an der Ostseeküste gut ausgeprägt war(S. Müller briefl.), sind nur im Binnen­land auffällig viele juv. festgestellt worden(MANN 1999, BESCHOW 1999). Nach. GLUTZ v. BLOTZHEIM et. al.(1995) zeigt die am ostatlantischen Zugweg beteiligte Teilpopulation der Jamal­Halbinsel einen ausgeprägten Küstenzug mit einer größeren Streuung juv. auch bis ins Binnenland. Auch wenn im pommerschen Ostseeraum keine Ansamlungen> 100 Ex. an dj. Sichelstrandläufern festgestellt wurden, hilft dieser Umstand nicht weiter, die Frage nach dem Woher der juv. Sichelstrandläufer im Bin­nenland zu beantworten. Hier können nur Farbberingungen weiterhelfen. Da Spekulationen zur Herkunft unserer Durchzügler wenig hilfreich sind, bleibt weiterhin der Umstand bestehen, daß unsere Kenntnisse ZU einer eigentlich gut kontrollierten Vogelgruppe nicht ausreichen, zahlreiche Fragen zur Stellung Bran­ denburgs als Bestandteil und Transitland des ostatlantischen Zugweges zu formulieren. Rastplatzbezogene Darstellungen gelingen noch, aber ganzheitliche Auswertungen einer Zugsaison für größere Regionen sind ine Ausnahme(KUBE& STRUWE 1994). Die überregionale Zusammenstellung von Landesergebnissen und deren Wertung bleibt ein offenes Problem trotz zahlreicher Avifaunistischer Jahresberichte. Eine Komprimierung der vorhandenen und erschließbaren Datenlage nach Jahren für ganz Deutschland und deren Darstellung wäre sicher ein erster wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Bewertüngsgrundla­ge für die jährlich registrierten Durchzugverhältnisse nordischer Limikolen.

Literatur

BARTHEL, P. H. (1998): Bemerkenswerte Beobachtungen.- Limicola 12: 148-159, 274-292; BESCHOW, R.& R. KAMINSKI(1996): Zum Vorkommen der Seetaucher(Gaviidae) in Südost­

Brandenburg.- Otis 4: 50-67{{ BESCHOW, R.(1999): Der Limikolenwegzug 1998 an der Talsperre Spremberg im Vergleich mit der

Situation in den Jahren 1990- 1997.- Otis 7