Heft 
Band 10
Seite
106
Einzelbild herunterladen

106 NoAH, T.& S. WEIß

im Wurzelbereich eines Baumes(F. Schröder). Demgegenüber spielt die Fließgeschwindigkeit, der Zustand der Stauanlagen(Alter) und die Beschaffenheit der Uferzonen eine eher zweitran­gige Rolle. So brütete 2002 an der Schlepziger Mühle ein Paar zweimal erfolgreich, obwohl die­ser Platz aufgrund einer Abdämmung zum saisonalen Standgewässer wurde und darüber hin­aus während der gesamten Brutzeit Baumaßnahmen durchgeführt worden sind. Mithin ist die Art auch in unserem Gebiet gegenüber anthropogenen Störungen am Brutplatz offenbar sehr tolerant. Neben dem Kahnbetrieb, der nahezu alle Brutplätze berührt, sind vor allem Nester in den Griffnischen von Schleusen naturgemäß einem beträchtlichen Störpotenzial ausgesetzt (u.a. Wasserwanderer, badende Kinder). Bei zwei näher kontrollierten Bruten an derartigen Standorten(Barzlinwehr, Hartmannsdorfer Wehr) wurden mindestens 4 bzw. 2 Jungvögel flüg­ge. Direkte menschliche Verfolgungen(Nestzerstörungen) konnten nicht nachgewiesen wer­den, obwohl dafür in einem Fall begründeter Verdacht bestand(24.4.02, bebrütetes Gelege samt Nest aus Griffnische der Schleuse»Arche« verschwunden). Dem Einfluss der Gewässer­güte auf die Habitatqualität wird im allgemeinen keine besondere Bedeutung beigemessen (SCHIFFERLI 1985), wenngleich Gewässerverschmutzungen insbesondere in früheren Jahren oft als Ursache für negative Bestandsveränderungen herangezogen wurden(GRÄTZ& LITZBARSKI in RUTSCHKE 1983). Die Hauptfließgewässer im Spreewald sind gegenwärtig»mäßig belastet«, Nebenfließgewässer, wie die Berste, gelten überwiegend als»kritisch belastet«(LUA in MUNR 1998). In diesem Zustand dürften die Fließgewässer somit keine wesentlichen Lebensraumbe­einträchtigungen auf die Gebirgsstelze ausüben. Im Übrigen sei erwähnt, dass im Spreewald unseres Wissens keine Nistkästen angebracht wurden, um der Art möglicherweise fehlende Brutplätze zu ersetzen. Im Stadtkreis Frankfurt/O. konnte der Bestand auf diese Weise von 5 BP in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bis 1999 auf 13 BP angehoben werden(BECKER 2000). Wir gehen schließlich davon aus, dass die erneute Besiedlung des Spreewaldes und der folgen­de Bestandsanstieg im Rahmen einer überregionalen Ausbreitung zu betrachten ist. Die milden Winter der letzten Jahre förderten diese Entwicklung maßgeblich. Möglicherweise erleben wir derzeit lediglich eine Expansionsphase temporärer Natur, die mit den nächsten strengen Wintern episodischen Charakter erhält. Dass die Gebirgsstelze im Spreewald sowohl Talfahrten als auch Gipfelstürme durchlebte, lässt sich schon aus den Mitteilungen der Faunisten vergan­gener Jahrzehnte und Jahrhunderte ableiten.

Durchzug und Phänologie

Aus Brandenburg wurden bisher keine regionalen Auswertungen zum Durchzug der Gebirgs­stelze vorgelegt(DEUTSCHMANN in ABBO 2001). Lediglich für Berlin existieren zwei entspre­chende Darstellungen, die sich auf den Westteil der Stadt beziehen(BRUCH et al. 1978, OAG Berlin(West) 1990). Das sehr unstete Auftreten und die eher zurückgezogene Lebensweise an den Rastplätzen verringern die Möglichkeit, binnen kurzer Zeit aussagefähiges Datenmaterial zu erhalten. Bezüglich der Habitatwahl außerhalb der Brutzeit ist zu beachten, dass der Lebensraum Fließgewässer nur sporadisch kontrolliert worden ist und daher gegenüber den