Heft 
Band 10
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132
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werden. Aber man sollte sich von der Vorstellung verabschieden, es handele sich um eine normale Avifau­na, und die in vieljährigem Abstand erscheinenden Bände als lockere Monografienreihe auffassen. Dann wird man sich vorbehaltlos über die hochwertigen Bände freuen können. So auch bei dem nun als Band 5 erschienenen Brutvogelatlas.

Die Ornithologen der OAG Schleswig-Holstein haben von 1985 bis 1994 das gesamte Land auf Basis von TK25-Vierteln bearbeitet. Aufgrund von Linientaxierungen in mehreren Probeflächen pro Gitterfeld wurde der Bestand aller Vogelarten geschätzt, wobei immerhin durchschnittlich 30-60% der später geschätzten Reviere pro Gitterfeld tatsächlich im Gelände erfasst wurden. Trotz fehlender Standardisie­rung kann man von einer hinreichend guten Genauigkeit der Schätzzahlen ausgehen.

Der allgemeine Teil des Buches umfasst eine kurze Beschreibung der Landschaft, die Methodendarstel­lung und eine übergreifende Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse. Im speziellen Teil ist das Vorkom­men jeder Art in Häufigkeitsklassen auf einer ganzseitigen Karte präsentiert, die Nachweisqualität(B, C, D) ist nicht dargestellt. Zu jeder Art gehört ein Text, der Verbreitung, Lebensraum, Bestandsentwicklung und Gefährdung/Schutz beschreibt, häufig mit zusätzlichen Tabellen oder Grafiken. In einem Anhang fin­det sich eine größere Zahl überwiegend sehr guter Farbfotos von typischen Lebensräumen und Arten. Karten und Texte sind sehr informativ: Beispielsweise sind Verbreitungsgrenzen(Nachtigall/Sprosser) genauso interessant wie die sehr unterschiedliche Verteilung der Arten auf die Landschaftstypen(Marsch, Geest, östliches Hügelland). Da die Bestandszahlen für die einzelnen Gitterfelder nicht als Spanne, son­dern als Einzelzahl geschätzt wurden, ergeben sich irritierend»krumme« Gesamtzahlen, z.B. 88.998 BP des Haussperlings. Diese Bestandszahlen sind zwar in einer Übersichtstabelle gerundet, doch wäre es sicher hilfreich gewesen, wenn als Hinweis auf die Schätzgenauigkeit für die einzelnen Arten eine Spanne angegeben worden wäre. Für Auswärtige auffallend ist die Seltenheit bzw. Zerstreutheit des Vorkommens einiger anderswo weit verbreiteter Arten. So fehlt beispielsweise der Eisvogel in großen Teilen des Landes, und vom Schwarzmilan gibt es überhaupt nur 8 Brutnachweise. Etwas erstaunt ist man, vom regelmäßi­gen Brutvorkommen der Mittelmeermöwe bereits seit Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre an den ost­holsteinischen Seen und auf Trischen zu lesen, was das bisherige Bild von der Ausbreitung der Art von Süden her verändern würde. Ob es sich nicht doch eher um gelbfüssige»omissus«-Silbermöwen handelt, als die diese Vögel anfangs ja auch beschrieben wurden? Jedenfalls fehlen diese Brutnachweise in den Berichten der Deutschen Seltenheitenkommission, bei der Weißkopfmöwen-Bruten seit 1993 hätten dokumentiert werden sollen. Sehr instruktiv sind die Karten über Arten- und Revierzahlen im allgemei­nen Teil. Hier zeigt sich wieder einmal, wie sehr das Ergebnis einer Bewertung von den angelegten Kriterien abhängt: Bei der Darstellung der Revierzahl von Rote-Liste-Arten schneidet die Nordseeküste und das Marschland mit großem Abstand am besten ab, während sich bei der Zahl der Rote-Liste-Arten pro Gitterfeld die Seenplatte als zusätzliches Konzentrationsgebiet abzeichnet. Leider wird die Lesbarkeit dieser interessanten Karten durch eine nur schwer verständliche Legende beeinträchtigt, in der die Häufigkeitsklassen als Vielfaches der Standardabweichung vom Mittelwert ausgedrückt werden(ohne dass der Wert der Standardabweichung angegeben wird).

Die schleswig-holsteinischen Ornithologen sind zu beglückwünschen, dass ihre jahrelangen Bemühun­gen nun zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen sind. Der Atlas sollte nicht an den modernsten Werken, die auf standardisierter Methode beruhen(z.B. Schweiz ), gemessen werden, doch waren die Schleswig-Holsteiner zu Beginn der Geländeerhebung in Genauigkeit und Methodik vergleichbaren Kar­tierungen weit voraus.

Wolfgang Mädlow